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Ein unmoralisches Kommuniqué

Bundesbildungsministerin Bulmahn gibt im Streit über ihr Hochschulgesetz nach: Sie will den Status von Habilitierten und Projektforschern verbessern. Die bündnisgrünen Koalitionspartner denunziert sie als gnadenlose Neoliberale

BERLIN taz ■ Der Sinneswandel kam überraschend. Aber er kam. Edelgard Bulmahn (SPD) will nun doch die vermaledeite 12-Jahres-Regel im Hochschulrahmengesetz (HRG) nachbessern, die sie gerade erst durch den Bundestag gebracht hat. Wochenlang weigerte sich die Bundesbildungsministerin strikt, ihr Gesetz zu verändern, und bezeichnete alle Kritiker als Panikmacher. Gemeint waren jene, die der Professorenreform durch das Hochschulgesetz attestierten, sie gefährde die Jobs tausender Habilitierter und so genannter Projektforscher.

Nach der Gesetzesnovelle, die erst Mitte Februar in Kraft getreten war, sollten Wissenschaftler dann nicht mehr befristet beschäftigt werden können, wenn sie schon zwölf Jahre lang mit Fristverträgen geforscht und gelehrt hatten. Für tausende Wissenschaftler hätte dies wohl das Ende ihrer Laufbahn bedeutet.

Die Professorenreform soll nun auf zwei Wegen Verbesserung erfahren. Zunächst will die rot-grüne Koalition eine Übergangsregel für Doktoranden und Habilitanden schaffen – und zwar durch eine Nachbesserung direkt im Gesetz. Die Qualifikationsbefristung für Doktorarbeit und Habilitation auf je sechs Jahre würde so de facto erst 2005 wirksam werden.

Außerdem wird die Ministerin eine „autorisierte Handreichung des Arbeitsrechts“ auf den Weg bringen, berichtete Bulmahns Sprecherin Sabine Baun gestern der taz. Die mit den Weihen von Arbeitsrechtlern ausgestattete Interpretation werde Wissenschaftlern ausdrücklich ermöglichen, länger als zwölf Jahre auf befristeten Stellen zu forschen. Anfang April soll die Handreichung den Personalabteilungen aller Hochschulen und Forschungseinrichtungen zugehen – per Brief will die Ministerin die Einstellungspraxis an den Hochschulen beeinflussen.

Der grüne Koalitionspartner zeigte sich erfreut über das Einlenken Bulmahns. „Das ist auch ein Erfolg von uns“, sagte der bildungspolitische Sprecher Reinhard Loske. Die Grünen hatten sich nach kurzem Zögern entschieden, die Kritik an der 12-Jahresregel von Organisationen wie „wissenschaftichernachwuchs.de“ aufzunehmen.

Allerdings scheiterte das grüne Ansinnen, auch für Projektforscher jenseits der 12-Jahresgrenze eine Klarstellung unmittelbar ins Gesetz zu schreiben. Bulmahn lehnte das zugunsten ihrer Handreichung per Brief ab. Und sie nutzte die Situation gleichzeitig, ihren grünen Partnern eins auszuwischen. Am Tag nach der Einigung mit den Grünen unterstellte Bulmahn, die grünen wollten das Prinzip des „hire and fire“ an den Hochschulen salonfähig machen und den Kündigungsschutz umgehen. In einer Mitteilung stellte die Ministerin die Grünen auf eine Stufe mit dem früheren BDI-Chef Hans-Olaf Henkel. Dass ihrer beharrliche Weigerung, das Hochschulgesetz überhaupt nachzubessern, die Jobs von Wissenschaftler grundsätzlich gefährdet wurden, verschwieg sie. Die Grünen, die eine HRG-Korrektur zugunsten der Forscher erzwingen mussten, standen plötzlich als gnadenlose Neoliberale da.

Der grüne Bildungssprecher Loske nannte Bulmahns Kommuniqué schlicht „unfreundlich“. Diese Haltung wird bei einem Rückblick auf die Bulmahn’sche Politik zur 12-Jahres-Regel verständlich. Sie hatte ihre Verteidigungsstrategie wegen der heftigen Kritik in geradezu groteske Formen gesteigert. So versuchte sie etwa klageweise zu erstreiten, dass eine TV-Anstalt eine unpassende Bemerkung ihres Staatssekretärs zum Thema aus einem Beitrag herausschneiden sollte. Bulmahn verlor – und wurde noch wütender. Bie einer Diskussion in der Berliner Akademie der Wissenschaften etwa erklärte sie der Reihe nach alle für unfähig, ihr Gesetz zu verstehen – Forscher, Gewerkschafter, Institutsleiter, Drittmittelgeber, Uni-Präsidenten, ja sogar Arbeitsrichter. CHRISTIAN FÜLLER

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