: Koalition in Brandenburg kuschelt wieder
Auf ihren Fraktionssitzungen fangen SPD und CDU die Stolpe- und Schönbohm-Kritiker in den eigenen Reihen ein
POTSDAM taz ■ Eigentlich war gestern der Termin für die Halbzeitbilanz der Brandenburger Regierung – doch nach dem gesplitteten Votum im Bundesrat beim Zuwanderungsgesetz wurde dieser kurzerhand abgesagt. Stattdessen trafen sich fast zeitgleich die SPD- und CDU-Fraktion, um ihr Vorgehen in der Koalitionskrise zu besprechen. Beide Parteien waren offensichtlich bemüht, Geschlossenheit und gute Laune im Brandenburger Landtag zu demonstrieren. Die Kritiker innerhalb der Parteien scheinen wieder fest im Griff.
Schon vor Beginn der Sitzung der CDU sagte Innenminister Jörg Schönbohm betont gelassen und lächelnd in die Fernsehkameras: „Abweichler? Welche Abweichler?“ Gemeint war Wolfgang Hackel, CDU-Kreisvorsitzender Potsdam-Mittelmark, der seit der Abstimmung im Bundesrat einen Rücktritt von Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) und Schönbohm gefordert hatte. Hinter verschlossenen Türen habe es dann eine „sehr offene Aussprache“ gegeben, so Fraktionsvorsitzende Beate Blechinger zwei Stunden später. „In einer Abstimmung hat sich die Fraktion mit nur einer Gegenstimme von Hackel gegen Neuwahlen ausgesprochen“, so Blechinger. Der zweite Christdemokrat, der zuvor Neuwahlen gefordert hatte, war günstigerweise nicht da: Dieter Dombrowski, Kreisvorsitzender Havelland, ist im Türkei-Urlaub. Einigkeit also in der CDU? Wolfgang Hackel sagte nach der Sitzung: „Nicht jeder ist vor Königsthronen mutig.“
Im Koalitionsausschuss am Donnerstag will die CDU ihre Erwartungen für eine Fortsetzung der Koalition darlegen. Ob Stolpe im Landtag die Vertrauensfrage stellten sollte, ließ die CDU gestern offen. „Über diese Frage haben wir nicht geredet“, sagte Schönbohm nach der Sitzung.
Ministerpräsident Stolpe kam mit einem demonstrativen Lächeln aus der SPD-Fraktionssitzung. „Es ist wirklich erfreulich, dass so viele in der SPD und der CDU die Koalition fortsetzen wollen“, sagte er. Er werde, falls von der CDU gewünscht, die Vertrauensfrage ans Parlament stellen, aber nicht „als Disziplinierungsmaßnahme“. Der Fraktionsvorsitzende Gunter Fritsch fügte hinzu, es habe sehr großes Einvernehmen unter den Fraktionsmitgliedern geherrscht. Und der Abweichler Freese? „Der hat sich heute sehr koalitionskonform verhalten“, so Fritsch mit einem Lächeln. Im Vorfeld hatte der Landtagsabgeordnete Ulrich Freese gefordert, Stolpe solle Schönbohm entlassen.
Während sich SPD und CDU innerhalb der Partei einig und bezogen auf die Koalition versöhnungsbereit zeigten, gab es bei der Pressekonferenz der PDS gestern kein Lächeln. Landesvorsitzender Ralf Christoffers glaubt, dass die Koalitionspartner sich nur versöhnt hätten, „um eine Regierungsbeteiligung der PDS zu verhindern“. Das Land Brandenburg habe im Bundesrat seine Glaubwürdigkeit verloren. Er forderte den Ministerpräsidenten auf, auf die Vertrauensfrage zu verzichten. Wenn Stolpe jetzt die Vertrauensfrage stelle, dann sei das eine „zweite Inszenierung“. Stattdessen sprachen sich er und der Fraktionsvorsitzende Lothar Bisky für Neuwahlen aus. NICOLE JANZ
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