: Jubilierende Nabelschnur
■ Seit 75 Jahren verbindet der Hindenburgdamm die Sylter mit dem Festland: Die lukrativste Kurzstrecke der Deutschen Bahn Von Friedhelm Caspari
„Sylt ist keine Insel mehr!“ Mit dieser Schlagzeile feierte die örtliche Presse am 1. Juni 1927 den Hindenburgdamm und damit den direkten Anschluss an das Festland. Im touristischen Zeitalter würden die 23.000 Sylter ohne diese seit 75 Jahren versorgende „Nabelschnur“ kaum existieren können.
Der 11,2 Kilometer lange Schienenweg durchs Wattenmeer ist nach seinem Taufpaten benannt. Reichspräsident Paul von Hindenburg (1847-1934) weihte die Festlandverbindung am 1. Juni 1927 ein. Die Entscheidung für den Bau des Dammes fiel damals eher aus politischen als aus wirtschaftlichen Erwägungen.
Bei der Volksabstimmung 1920 hatten sich die Sylter in der Frage der Zugehörigkeit Schleswigs zu Deutschland oder Dänemark für das Deutschsein entschieden. Es gab 2715 „deutsche“ Stimmen und 356 pro Dänemark. Darauf wurde Nordschleswig ohne Sylt an Dänemark abgetreten. Sylter und Gäste mussten auf dem Weg zum deutschen Festland fortan jedes Mal dänisches Hoheitsgebiet passieren. Es bestand Pass- und Visumzwang, die Züge wurden sogar jedesmal plombiert.
Das Deutsche Reich und die Bezirksregierung Schleswig machten daraufhin rasch erste Millionen locker, um den – schon seit 1875 von den Westerländern gewünschten – Eisenbahndamm zu realisieren. Insgesamt häuften bis zu 1500 Arbeiter über drei Millionen Kubikmeter Erde und Sand sowie 300.000 Tonnen Basalt zu einem 50 Meter breiten Damm auf. Die Endabrechnung betrug rund 20 Millionen Reichsmark.
Heute ist der Hindenburgdamm die wohl lukrativste Kurzstrecke der Deutschen Bahn. Rund 800.000 Fahrzeuge jährlich werden mit dem Sylt-Shuttle in 40 Minuten Fahrtzeit über den Damm auf Deutschlands beliebteste Insel hin- und zurückgekarrt. Dazu kommen min-destens 4000 Menschen, die tagtäglich per Bahn von und nach Sylt reisen.
Damit Damm und Insel nicht weggespült werden, muss die schleswig-holsteinische Landwirtschaftsministerin jährlich gut 6 Millionen Euro investieren. Nach Schätzungen der Sylter Kommunen sind in diesem Winter rund 1,6 Millionen Kubikmeter Sand weggespült worden. In einigen Teilbereichen liegt der Strand unterhalb des Kliffs um bis zu drei Meter tiefer als vor den Winterstürmen in den vergangenen Wochen.
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