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Jetzt mischt Bulmahn mit

Der Bund will die Starre des Pisa-Schocks überwinden – auch zu Wahlkampfzwecken: Um Defizite deutscher Schüler zu beheben, macht Bildungsministerin Bulmahn den Bundesländern Angebote

von CHRISTIAN FÜLLER

Nun also doch. Die Bundesregierung will sich nach dem verheerenden Abschneiden deutscher Schüler bei der Pisa-Studie in die Reform der Schulen einschalten – obwohl Bildung Ländersache ist. „Zuständigkeiten interessieren die Menschen nach Pisa nicht mehr“, sagte Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) in Berlin, „die Eltern wollen, dass die Schulen und die Chancen ihrer Kinder endlich verbessert werden.“

Nach der Veröffentlichung der Studie, die deutsche Schüler auf Rang 25 von 32 OECD-Staaten sah, hatten Bund und Länder sich streng an ihre verfassungsmäßigen Kompetenzen gehalten. Jetzt will Bulmahn den Ländern konkrete Projekte anbieten.

Nach den Vorstellungen Bulmahns sollte ein bereits laufendes Vorhaben zur Verbesserung des naturwissenschaftlichen Unterrichts deutlich ausgeweitet werden. Zudem würde sich der Bund an der Förderung von Migrantenkindern beteiligen und helfen, das massivste Problem der deutschen 15-Jährigen anzugehen: die Lesekompetenz und das Textverständnis. Laut Pisa gelten 23 Prozent der befragten deutschen Schüler als „funktionale Analphabeten“ bzw. extrem schlechte Leser. Unter ihnen sind sehr viele Zuwandererkinder. Kein anderes Land der OECD gibt Migranten weniger Bildungschancen als Deutschland.

Die Schulminister der Länder, allen voran die baden-württembergische Kultusministerin Annette Schavan (CDU), hatten auch nach Pisa jede Einflussnahme des Bundes auf Schulen barsch abgelehnt. Dementsprechend hielt sich Bulmahn selbst vornehm zurück. Diese Reserviertheit hat sie nun aufgegeben – gewiss auch aus Wahlkampfgründen. Kanzlerherausforderer Stoiber versucht mit Bayerns Schulen zu punkten. Da hält die SPD-Bildungsministerin nun dagegen. Sie verknüpft ihr Angebot an die Länder mit dem Ziel, „deutsche Schulen wieder in die Spitzengruppe der OECD zu bringen“ – und wer wollte das nicht?

Der Vorstoß des Bundes würde helfen, im Flickenteppich von Pisa-Maßnahmen Prioritäten zu setzen. Bislang haben die Länder allerlei unternommen – ohne Beifall zu erhalten. Selbst in der Kultusministerkonferenz und bei der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung herrscht Unverständnis über die Starre nach dem Pisa-Schock. „Es herrscht große Verlegenheit“, sagte ein hoher Kultusbeamter der taz, „warum ergreift nach Pisa keiner die Initiative, endlich zusammen zu arbeiten?“

Bulmahn gab keine Auskünfte zum finanziellen Umfang ihres möglichen Schulengagements. Die Details will sie den Kultusministern im Mai vorstellen.

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