: Besser besetzte Hauptrollen
■ Der VfB Lübeck ist nach dem 1:0-Auswärtserfolg bei Rot-Weiß Essen wieder zurück auf dem ersten Tabellenplatz
In der Stunde der größten Not saß Harry Pleß in einer Gruppen-Therapie. Rot-Weiß Essens Trainer hockte niedergeschlagen im Presseraum und klagte den Medienmenschen sein Leid. „Wenn wir nur einen wie den Scharping hätten“, lamentierte er und suchte den verbalen Ausweg aus einem nicht zu vollendenden Wunschsatz. „Man hat heute gesehen, was der Scharping alles kann“, sagte Pleß, als Dieter Hecking sich vom anderen Ende des Tisches einschaltete. „Der kann doch nichts“, kalauerte Hecking grinsend „nur Tore schießen.“
Lübecks Trainer hatte gut lachen. Sein VfB hatte das Spitzenspiel der Regionalliga Nord mit 1:0 in Essen gewonnen. Jens Scharping war an diesem Abend mal nicht verantwortlich für das entscheidende Tor trotzdem stand er symbolisch für die entscheidenden Unterschiede, die sich zwischen Rot-Weiß Essen und dem VfB Lübeck auftaten. Essen und seine Stürmer Wolf, Wojcik und Baich agierten trotz längerfristiger Feldüberlegenheit nicht annähernd so zielstrebig wie Lübeck und seine Torbeauftragten Scharping, Bärwolf und Homola.
Dem Letzteren war es in der 54. Minute vorbehalten, das goldene Tor zum 1:0-Sieg zu schießen. „Wir haben verdient gewonnen“, sagte Trainer Hecking nach dem Spielende und bilanzierte die größte Schwäche der Essener, indem er ihnen zunehmendende „Kopflosigkeit“ diagnostizierte. Deren Trainer Pleß schlug in die gleiche Kerbe, beklagte nach sieben Spielen in 26 Tagen schwindende Kräfte bei seinen Ak-teuren und befürchtet nach einem Unentschieden und zwei Niederlagen aus den jüngsten drei Spielen eine zunehmende Nervosität im Aufstiegskampf.
In dem haben die Lübecker nach dem vorübergehenden Sprung an die Tabellenspitze nun die bessere Ausgangsposition.
Er sei froh, dass man es den Kritikern der vergangenen Wochen heute einmal habe zeigen können, sagte Dieter Hecking bissig und erinnerte sich eines effektiven Lübecker Defensivspiels, durch welches man den zugegebenermaßen unkreativen Essenern nur wenige Chancen gestattete. „Ich hatte schon beim Aufstehen heute das Gefühl, dass etwas geht“, plauderte Hecking hernach selig. Die Realität vor 13669 Zuschauern im Georg-Melches-Stadion entsprach dann auch durchaus seinen seherischen Fähigkeiten: Lübeck erwies sich als die abgeklärtere Mannschaft, stand hinten gut und kam durch Scharping sogar in der Phase der anfänglichen Essener Überlegenheit zu den besseren Chancen.
Am Ende reichte ihnen auch ein bisschen Glück zum Sieg, weil Essens Torjäger Sascha Wolf sich als Schaf entpuppte und selbst beste Chancen kläglich vergab. So blieb Dieter Hecking die Freude über den wichtigen Sieg und Essens Harry Pleß die Erkenntnis, dass seine Zweitliga-Träume an der Besetzung der Hauptrollen zu scheitern drohen. Manfred Meinhard
Weitere Ergebnisse der Regionalliga Nord: Holstein Kiel - SC Paderborn 1:1
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