: Anklage nach 48 Jahren gegen ehemaligen SS-Chef Friedrich Engel
Es hat Jahrzehnte gedauert, doch jetzt ist es soweit. Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat diese Woche Anklage gegen den mutmaßlichen SS-Verbrecher Friedrich Engel erhoben: wegen Mordes in 59 Fällen. Der heute 93-Jährige soll im Mai 1944 als Leiter des Sicher-heitsdienstes des Außenkommandos Genua, die Erschießung von Inhaftierten des Gefängnisses Marassi angeordnet haben.
In Interviews hatte der ehemalige SS-Chef von Genua im April vergangenen Jahres die Tötung von 59 italienischen Geiseln an der ligurischen Küste nicht abgestritten. Für die Hinrichtung der Häftlinge sei er „teilweise verantwortlich“ gewesen, räumt Engel ein. Der „Henker von Genua“ war bereits 1999 von einem Militärgericht in Turin in Abwesenheit wegen der Ermordung von 246 Geiseln zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Seit Kriegsende lebt Engel in Hamburg, bei einer Hausdurchsuchung Ende des Jahres 2001 hatte die Polizei in der Wohnung des mutmaßlichen Kriegsverbrechers zahlreiche Unterlagen sichergestellt. Die Hamburger Justiz weiß jedoch bereits seit 1969 von den Vorwürfen gegen Engel, alle Ermittlungen verliefen jahrzehntelang im Sand. Erst als Journalisten den mutmaßlichen Mörder im April vergangenen Jahres in seinem Haus in Lokstedt – in dem er jahrelang unbehelligt seinen Ruhestand genoss – aufspürten, begannen die Mühlen der Justiz erneut zu mahlen.
Ob sich Engel tatsächlich vor dem Hamburger Landgericht verantworten muß, ist trotz Anklage aber noch nicht sicher. Erst wenn der Angeschuldigte zu der Anklage Stellung genommen hat, wird die Große Strafkammer 21 entscheiden, ob sie das Verfahren gegen den SS-Verbrecher eröffnet. Sollte die Kammer zu dem Schluss kommen, dass eine Verurteilung wahrscheinlich ist, soll das Strafverfahren vermutlich noch im Sommer eröffnet werden. „Wir wollen zügig terminieren“, verspricht Gerichtssprecher Niels Focken. Nach über 30 Jahren Ermittlungen ein weiser Entschluss. Marco Carini
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen