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jenni zylka über Sex & LügenWaldorf-Sexpuppen-Bastelanleitung

Über Baugerüste, die einen küssen, und Pfefferstreuer im Schaufenster

„Zwischen Hamburg und Flensburg / da steht ein Gerüst / da werden die Mädels / elektrisch geküsst / Hoooollaaaadiiii / Hoolladihia holla / Kuckuck…“

 Das möchte ich erst einmal sehen, dieses ominöse Gerüst. Vermutlich steht es direkt an der Autobahn, der A 7, wenn mich nicht alles täuscht. Aber ich glaube, die Vorstellung eines überdimensionalen Sexspielzeugs, das in einer Tour Damen küsst, entstammt dem kranken Hirn, das sich auch die restlichen Strophen des Holladihia-holla-Lieds ausgedacht hat, „ja, ich steh auf der Brücke / und ich spuck in den Kahn“ und so weiter und so fort.

 Sexspielzeuge sind normalerweise merklich kleiner als Baugerüste. Manchen sieht man sofort an, wozu sie gedacht sind, bei anderen muss man raten. In einem Reeperbahn-Schaufenster habe ich einmal, zwischen Handschellen, Delfindildos und Lack-BHs, meinen Pfefferstreuer stehen sehen, mit einem Schild dran: „Buttplug 25 DM“. Auch diese Klickerklackerkugeln an einer Schnur, mit denen man als Kind gerne gespielt hat, lagen dort herum.

 Menschen benutzen aus mannigfaltigen Gründen Sexspielzeuge. Manche haben sich ein kindlich-schlichtes Gemüt bewahrt und freuen sich eben, wenn man ihnen Walnüsse mit Stringtangas drin an den Weihnachtsbaum hängt. Das sind wahrscheinlich die Freundinnen von denen, die Unterhosen mit Elefantenrüsseln dran anziehen und ihre Zahnbürsten abends in Clownskopf- Zahnbürstenhalter stecken. Wenn sie mal besonders viel Zeit für ihr Liebesspiel haben, dann benutzen diese Spaßpaare phosphoreszierende Kondome, machen es „dabei“ ganz dunkel und lachen sich über die fliegende Banane schief. Und im Übrigen: Wer phosphoreszierende Kondome benutzt, der geht auch zu Chris-de-Burgh-Konzerten und winkt bei „Don’t pay the ferryman“ mit phosphoreszierenden Rockwedeln herum. Da kann man nur hoffen, dass diese Art Menschen unter sich bleibt. Am besten in einem weit entfernten Extraland, in das man nicht zu reisen braucht, wenn man nicht möchte.

 Andere Sexspielzeuge kommen eher aus dem medizinischen Bereich, die harmloseren sind Ärztekittel und Stethoskope. Über die gruseligeren möchte ich gar nicht nachdenken. Lieber darüber, ob es wirklich Männer gibt, die es mit aufblasbaren Sexpuppen machen. Die aufblasbare Sexpuppe ist vermutlich – nach dem Dildo – das bekannteste Sextoy der Welt und war so oft Thema in schlechten und verklemmten Witzfilmen und -büchern, das sie nicht mal mehr einer italienischen Spitzennonne die Schamesröte ins Gesicht treiben würde. Aber ich kann mir ernsthaft keinen einzigen Mann aus meinem Bekanntenkreis vorstellen, der nicht sofort die Augenbrauen zu einem sympathischen Dreieck hochziehen und abwinken würde, wenn er dieses komische Plastikgesicht mit dem „Ooooh“-Mund anguckte. Muss man da nicht stante pede an Schwimmflügel denken oder an Luftmatratzen, allein schon wegen der Konsistenz und des Geruchs? Und haben diese Sexpuppen nicht einen Ausdruck wie Mrs. Beasley aus „Lieber Onkel Bill“? Natürlich ist sogar mir bekannt, dass Männer in diesem Bereich denkbar einfach gestrickt sind; das Beispiel der beiden umgedrehten Blumentöpfe mit Erbsen drauf habe ich an anderer Stelle bereits erwähnt: hetero- und homosexuelle Männer reagieren in bestimmten Phasen auf Erhebungen und Lücken im menschlichen Körper genauso wie Stichlingsmännchen auf den roten Bauch des Stichlingsweibchens. Trotzdem.

 Am Design des bekanntesten Sexspielzeugs, des Dildos oder Vibrators, scheinen sich ebenfalls eher Männer- als Frauenwünsche abzureagieren. Ich schätze mal, dass es den meisten Benutzerinnen wirklich egal ist, ob das Ding nun in Glitzerfarben schimmert, einen Delfinkopf, eine Gegensprechanlage hat oder, das ist der Gipfel der Albernheit, irgendeinem realen Vorbild nachgebildet wurde. Daraus spricht eindeutig die männliche Phallusfixiertheit zusammen mit eben jenem eingangs erwähnten Phänomen, das einen Mann sowohl mit Plastikpuppen als auch mit Türklingeln in Busenform Spaß haben lässt. Frauen könnten dagegen noch so lange und noch so viele aufziehbare Hoppelpenisse auf ihrem Schreibtisch hin- und herhüpfen lassen, ihre spontane Lust auf geschlechtliche Vereinigung hielte sich trotzdem in moderaten Grenzen.

 Gerne wüsste ich, andererseits will ich es nicht wirklich recherchieren müssen, ob es auch Öko-Sexspielzeug gibt. So eine Art Pendant zu den in diesem „Freies-Geistesleben“-Buchverlag erscheinenden anthroposophischen Büchern mit Anleitungen zum Waldorfpuppenbasteln: „Die Waldorf-Sexpuppe. Aus Naturmaterialien“. Oder: „Selbst geschnitzte Busen. In Naturformen“. Oder: „Geknüpfte und gekordelte Handschellen. Nach alten Inka-Mustern“. Ups!, ich glaube, ich habe gerade eben eine Marktlücke entdeckt.

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