piwik no script img

Mum tot, Queen isoliert

101 Jahre lang lebte sie, knapp die Hälfte davon als Mutter einer Königin: Elizabeth Angela Marguerite Bowes-Lyon ist tot. Der Abgang der „Oma der Nation“ schwächt die britische Monarchie

aus Dublin RALF SOTSCHECK

Erst die Schwester, dann die Mutter: Königin Elisabeth II. erlebt schon wieder ein „annus horribilis“. Am Samstagnachmittag starb die Königinmutter im Alter von 101 Jahren in Windsor Castle.

Solange die „Queen Mum“ noch lebte, galt die britische Monarchie als unantastbar. Sie war die letzte Kaiserin von Indien, sie war die letzte Verbindung zu den großen Zeiten der britischen Monarchie. Inzwischen geht es mit den Windsors rapide bergab.

Mit keinem anderen Mitglied der königlichen Familie sind die Briten so nachsichtig umgegangen. Premierminister Tony Blair nannte die Queen Mother „ein Symbol für Ehrlichkeit und Mut“. Blairs politische Großmutter Margaret Thatcher sprach von einem „unersetzlichen Verlust für die gesamte Nation“.

Elizabeth Angela Marguerite Bowes-Lyon kam am 4. August 1900 als neuntes von zehn Kindern des schottischen Grafen von Strathmore zur Welt. Aufgrund ihrer Herkunft hatte sie Zugang zum Hof. Sie und ihre älteren Schwestern freundeten sich mit den Kindern von König George V. (1901–10) und Königin Mary an. An ihrem 14. Geburtstag brach der Erste Weltkrieg aus.

Als sie nach dem Krieg ihre Verlobung mit Prinz Albert, dem Herzog von York, bekannt gab, war das eine Überraschung, denn „Bertie“, wie er genannt wurde, war furchtbar schüchtern und stotterte. Am 26. April 1923 wurde geheiratet. „Ich sah es als meine Pflicht an, Bertie zu heiraten“, sagte sie danach. „Später habe ich mich in ihn verliebt.“

Drei Jahre nach der Eheschließung kam Tochter Elizabeth auf die Welt, vier Jahre später Margaret. Das hätte eigentlich reichen sollen, wenn sich nicht ihr Schwager, König Edward VIII., kurz nach seiner Thronbesteigung 1936 in die geschiedene US-Amerikanerin Wallis Simpson verliebt hätte und noch im gleichen Jahr zur Abdankung gezwungen worden wäre. Bertie, der von seiner Ehefrau mühsam zu einem akzeptablen Mitglied der aristokratischen Gesellschaft gemacht worden war, musste als George VI. auf den Thron.

Das „Ersatzkönigspaar“ war zunächst nicht beliebt. Dann kam der Zweite Weltkrieg, und Elizabeth startete eine Propagandakampagne in eigener Sache. Bei Stippvisiten in zerbombten Häusern wurden Bertie-George und Elizabeth zunächst ausgebuht. Doch als eine deutsche Bombe auf den Buckingham-Palast fiel, schwenkte das Volk um. „Ich bin froh, dass wir bombardiert wurden“, sagte Elizabeth. „Jetzt können wir dem East End in die Augen schauen.“

Der Eindruck, dass das Königspaar während des Krieges beim Volk blieb und sich mit den gleichen Rationen ernährte, war ihre größte PR-Leistung. Tatsächlich verschwanden George und Elizabeth abends stets auf das relativ sichere Windsor Castle, und die frugalen Mahlzeiten wurden durch Fasanen und anderes Getier von den königlichen Besitztümern ergänzt. Dennoch avancierte sie zur „Königin der Herzen“, ein Titel, der später auf die ihr verhasste Schwiegerenkelin Diana überging.

Sie konnte Diana nicht leiden, weil sie durch ihr Benehmen die Monarchie untergrabe, wie sie glaubte. Dabei warfen Kritiker der Königinmutter vor, auf jeder vornehmen Gesellschaft mühelos eine Kneipenatmosphäre zu schaffen: „Sie steht breitbeinig da, gestikuliert herum und hält stets einen Gin in der Hand“, so hieß es.

Sie hat zeitlebens an ihrem Image gefeilt und wurde zur Lieblingsoma der Nation. Ihre politischen Ansichten, die von den offiziellen Biografen als „altmodisch“ schöngeredet wurden, waren in Wirklichkeit reaktionär: Queen Mum verabscheute dunkelhäutige Immigranten, Liberale und Homosexuelle, sie war gegen Europa und die Währungsunion. Die Königinmutter war „so weit rechts, wie man nur gehen kann“, sagte ihr früherer Privatsekretär.

Sie war das größte Hindernis für die Modernisierung oder gar Abschaffung der britischen Monarchie. Man hat der Queen ihre Yacht weggenommen, die königliche Eisenbahn wurde eingemottet, und sogar das Flugzeug wurde der Royal Airforce unterstellt. Aber die Monarchie als Institution anzutasten, galt als geschmacklos, solange die „Queen Mum“ noch lebte. Nun ist sie tot, und das überschattet die Feier zum 50-jährigen Thronjubiläum von Elizabeth II. in diesem Sommer. Das Fest war ohnehin klein angelegt; nun wird es eine noch bescheidenere Affaire. Nur noch ein Drittel der britischen Bevölkerung bekennt sich glühend zur Monarchie, einem weiteren Drittel ist die Sache egal, und das letzte Drittel ist für die Umwandlung Großbritanniens in eine Republik. Die Beerdigung der Volksoma findet nächsten Dienstag in der Westminster-Abtei statt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen