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Gestatten: Gerster, Agenturchef

Florian Gerster ist seit gestern neuer Chef der Bundesanstalt für Arbeit – und schlägt vor, Arbeitsämtern neue Namen zu geben. Es müsse mehr nach „Aktivität“ und weniger nach „Sozialfürsorge“ klingen. Unruhe über SPD-Papier zur Arbeitslosenhilfe

von BARBARA DRIBBUSCH

Vorschläge für eine bessere Arbeitsmarktpolitik gab es schon viele – doch der neue Vorstoß von Florian Gerster, dem neuen Chef der Bundesanstalt für Arbeit (BA), dürfte ununterbietbar billig sein. Gerster schlug vor, die Bundesanstalt künftig in „Bundesagentur für Arbeit“ umzubenennen. Die örtlichen Arbeitsämter sollen zudem „Agentur für Arbeit“ heißen, sagte Gerster in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Die neuen Namen klängen mehr nach „Aktivität“.

Die alten Bezeichnungen erinnerten sehr an „Obrigkeitsstaat, aber auch an Sozialfürsorge“, so Gerster. Man wolle auf Distanz dazu gehen. Der neue BA-Chef erklärte, er wolle die Umbenennung der Kommission vorschlagen, die gegenwärtig eine Reform der BA vorbereitet.

Gerster ist seit gestern Chef der BA, zuvor war er SPD-Sozialminister in Rheinland-Pfalz. Wie schon in den Wochen zuvor sorgte Gerster mit seinen sozialpolitischen Vorschlägen auch in den vergangenen Tagen für Unruhe. In einem Interview mit dem Tagesspiegel schlug er vor, die Höhe des Arbeitslosengeldes zeitlich zu staffeln. Dabei sollen Arbeitslose in den ersten Wochen nach Jobverlust 80 Prozent ihres letzten Nettogehalts als Lohnersatzleistung bekommen. Danach jedoch soll das Arbeitslosengeld allmählich bis auf Sozialhilfeniveau absinken.

Der SPD-Abgeordnete Hans Büttner kritisierte den Vorschlag Gersters. Es widerspreche dem Sozialstaatsgedanken, den Prozess von Arbeitslosigkeit in Richtung Sozialhilfe noch zu beschleunigen.

Gerster hat als Chef der BA zwar keine gesetzgeberischen Kompetenzen, doch sehe er sich als „politischer Manager, der sich das Nachdenken und das Wort nicht verbieten“ lasse, betonte er. Intern will er darauf dringen, dass mehr Beschäftigte der Arbeitsämter in der Vermittlung und weniger in der Leistungsberechnung tätig sind.

Gerster befürwortet neue Modelle für Lohnkostenzuschüsse im Niedriglohnsektor, sieht ABM als „Instrument der sozialen Befriedung“ an, das aber keine Dauerlösung sein darf. Wie andere SPD-Politiker befürwortet auch er eine Verschmelzung von Arbeitslosen- mit Sozialhilfe.

Kurz vor Ostern hatte ein „Geheimpapier“ von SPD-Experten zur Reform der Arbeitslosenhilfe für Aufregung gesorgt. Laut dem Nachrichtenmagazin Spiegel schlagen die Sozialexperten darin vor, die Arbeitslosenhilfe in einem Stufenmodell an die Sozialhilfe anzunähern. Dabei könne man die Arbeitslosenhilfe zunächst zeitlich befristen.

Eine Sprecherin des Bundesarbeitsministeriums sagte zur taz, die Vorschläge kämen nicht aus dem Ministerium, sondern von den Ländern. Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) wolle ein „Grobkonzept“ zur „Verzahnung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe“ erst nach der Bundestagswahl vorstellen. Die Reform soll dann bis Ende 2004 abgeschlossen sein. Derzeit beziehen etwa 1,48 Millionen Joblose Arbeitslosenhilfe und machen damit mehr als 40 Prozent der erwerbslosen Leistungsempfänger aus. Bei einer Absenkung auf Sozialhilfeniveau würden hunderttausende dieser Empfänger an monatlichem Einkommen verlieren.

Auch der Kanzlerkandidat der Union, Edmund Stoiber, äußerte sich über Ostern zur Arbeitsmarktpolitik. Stoiber erklärte, im Falle eines Wahlsieges ein „funktionierendes“ Bündnis für Arbeit zu schaffen, so wie man es schon erfolgreich in Bayern habe. Daran sollten Arbeitgeber, Arbeitnehmervertreter und Bundesregierung beteiligt sein. Es reiche aber nicht, sich als Kanzler nur auf die „Moderatorenrolle“ zu beschränken.

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