: Weg mit der Wehrpflicht
■ Vor Gerichtsurteil: Zentralstelle fordert mehr Gerechtigkeit für junge Männer
Wenige Tage vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Wehrpflicht haben Organisationen für Kriegsdienstverweigerer eine rasche Abschaffung dieses Pflichtdienstes gefordert. Zum einen sei die Wehrgerechtigkeit nicht mehr gegeben, zum anderen könnten die neuen Polizeiaufgaben der Bundeswehr ohnehin nicht von Wehrpflichtigen übernommen werden, sagte der Vorsitzende der Bremer Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen, Ulrich Finckh, am Mittwoch.
Nach einer Statistik der Zentralstelle werden nur noch drei Viertel eines Jahrgangs einberufen. Von Wehrgerechtigkeit könne daher keine Rede mehr sein, erläuterte Finckh. Sie könne nur hergestellt werden, indem die Dienstzeiten verkürzt würden. Da die Bundeswehr immer weniger Grundwehrdienstleistende brauche, entstünden zudem für viele junge Männer Wartezeiten. Ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verschlechterten sich durch die Tatsache, dass sie jederzeit mit ihrer Einberufung rechnen müssten.
Aber auch aus prinzipiellen Erwägungen lehnt die Zentralstelle die Wehrpflicht ab. „Sie demokratisiert nicht die Armee, sondern militarisiert die Gesellschaft“, sagte Finckh.
Das Diakonische Werk (Stuttgart) hat sich auf eine mögliche weitere Verkürzung des Wehrdienstes und damit auch des Zivildienstes bereits eingestellt. Es sei allerdings nicht mit einem flächendeckenden Einbruch der Zahlen bei den Zivildienstleistenden zu rechnen, sagte der Diakonie-Referent für den Zivildienst, Thomas Knöbelspies. Lediglich bei Aufgaben mit besonders hohen Ansprüchen, wie etwa bei den Rettungshelfern, müsse mit einem Rückgang gerechnet werden. Die Diakonie will bei ihrer bevorstehenden Jahrestagung neue Konzepte für den Einsatz und die Betreuung von Zivildienstleistenden entwickeln.
Das Bundesverfassungsgericht wird voraussichtlich am kommenden Mittwoch über die Wehrpflicht entscheiden. Anlass war ein Urteil des Potsdamer Landgerichts, das einem Totalverweigerer wegen fehlender sicherheitspolitischer Notwendigkeiten Recht gegeben hatte. epd
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