off-kino Filme aus dem Archiv – Frisch gesichtet

Shakespeares Dramen boten dem Kino bereits seit Stummfilmtagen aufregende Stoffe zum Verfilmen. Schon Filmpionier und Zaubertheaterbesitzer Georges Méliès ließ es sich im Jahre 1907 nicht nehmen, einen „Hamlet“ zu produzieren und auch gleich noch in der Titelrolle zu reüssieren. In den letzten Jahren neigte man vor allem zu radikalen Umarbeitungen der Stücke des Dramatikers aus Stratford-upon-Avon: Michael Hoffmann inszenierte den „Sommernachtstraum“ für das Kino mit Fahrrädern, Grammofon und Schlamm-Catchen in der Toskana, und Kenneth Branagh machte aus „Verlorene Liebesmüh“ ein Swing-Musical mit Wasserballett-Einlagen. Auch „Hamlet“ musste dran glauben: In Michael Almereydas Independent-Verfilmung des Dramas um den ewig zaudernden Rächer kommt der Prinz von Dänemark (Ethan Hawke) mit Ziegenbärtchen, Sonnenbrille und einer Wollmütze der Sorte „peruanisches Hochland“ daher wie ein weißer HipHopper. Gewöhnungsbedürftig ist das schon: Hamlet residiert in einem unaufgeräumten Zimmer des Hotels Elsinore und räsoniert zwischen den Actionfilmen in einer Videothek über „Sein oder Nichtsein“. Der Geist seines ermordeten Vaters wandelt derweil über die Korridore und verschwindet schließlich im Pepsi-Cola-Automaten. Almereyda hat den Stoff in eine stilisierte Gegenwart des globalen Medienkonzerns Denmark Corporation umgesetzt, einer blaugrauen Welt mit typischer Repräsentationsarchitektur, die ausschließlich von machtbewussten Managern bevölkert wird. Manchmal mögen die Gegenwartsanalogien ein wenig gewollt wirken, doch die Respektlosigkeit des Unternehmens wirkt sympathisch, und der sardonische Humor des Regisseurs sorgt in der profunden Tragödie durchaus für einiges Amüsement. „Hamlet“ als Trash-Pop.

„Hamlet“ 7. 4. in der Urania

***In der Männerwelt des klassischen Hollywood war die Regisseurin Dorothy Arzner eine Ausnahme: Einst hatte sie als Stenotypistin beim Film begonnen und sich über Tätigkeiten als Script-Girl, Drehbuchautorin und Cutterin bis zur Regisseurin emporgearbeitet. Nachdem sie sich Ende der Zwanzigerjahre mit einer Reihe kommerziell erfolgreicher Komödien etabliert hatte, entwickelte Arzner in späteren Filmen eine persönliche – und spürbar weibliche – Perspektive: Ihre Melodramen besaßen starke und unkonventionelle Heldinnen, derweil die Männerfiguren ehr schwach und konfliktscheu erscheinen. So auch in Arzners vielleicht bekanntesten Film „Dance, Girl, Dance“, der die Geschichte zweier Tänzerinnen erzählt: Bubbles (Lucille Ball) ist Star in einem Nachtclub und weiß ihr nach frischem Frauenfleisch gierendes Publikum mit Humor zu nehmen und gleichzeitig ihre Würde zu bewahren. Ihre Freundin (Maureen O’Hara), die als klassisch ausgebildete Tänzerin im Vorprogramm auftritt, kommt sich jedoch unter Wert verkauft vor: In der berühmtesten Szene des Films platzt ihr der Kragen, und sie liest den johlenden Ignoranten im Publikum ordentlich die Leviten. Ein ungewöhnlicher Film für das klassische Studiosystem Hollywoods, und Arzners kritischer Blick auf die Rolle der Frau in der Gesellschaft bleibt bis heute bemerkenswert.

„Dance, Girl, Dance“ (OmU) 6. 4. im Arsenal 2

***1965 und 1966 entstanden neue Episoden der beliebten Ferien-auf-Saltkrokan-Geschichten von Astrid Lindgren: „Das Trollkind“ erzählt, wie Skrållan, die kleine Tochter von Pelles älterer Schwester Malin, auf der Ferieninsel plötzlich spurlos verschwindet und für große Aufregung sorgt; in „Die Seeräuber“ wird ein langweiliger Tag zum „Schäkertag“ auserkoren – die Erwachsenen spielen mit den Kindern in einer abgelegenen Bucht Piraten und streiten um den „Mysak-Diamanten“. Die Abenteuer auf der wildromantischen Schäreninsel kommen wie immer überaus charmant daher, sind von Regisseur Olle Hellbom kindgerecht ohne allzu große dramatische Höhepunkte inszeniert und erinnern den erwachsenen Zuschauer an unbeschwerte, glückliche Zeiten.

„Ferien auf Saltkrokan – Das Trollkind“ 4. 4.–10. 4. im Blow Up 2; „Ferien auf Saltkrokan – Die Seeräuber“ 4. 4.–10. 4. im Bali

LARS PENNING