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Noch härter mit Bush im Nacken

Unter dem Druck der amerikanischen Rückzugsforderungen forciert Israel seine Militäraktion. Bush ist über Scharons Eigenmächtigkeit stinksauer

aus Jerusalem SUSANNE KNAULaus Washington MICHAEL STRECK

Die Zeit drängt für Israels Militär. Nur noch ein paar Tage kann die Operation „Schutzwall“ andauern. Denn die amerikanische Regierung ist nicht länger bereit, Israels Militäroffensive im Westjordanland zu tolerieren. Präsident George W. Bush hat am Wochenende Ministerpräsident Ariel Scharon eindringlich aufgefordert, seine Truppen aus den besetzten Gebieten zurückzuziehen. Während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem britischen Premier Tony Blair sagte er: „Israel muss unverzüglich mit dem Rückzug beginnen. Ich gehe nicht davon aus, dass die Israelis dies ignorieren. Ich erwarte von ihnen, dass sie meinen Rat beherzigen.“ Scharon hat dann am Samstagabend erklärt, alle Anstrengungen zu unternehmen, um die Militäraktionen so schnell wie möglich zu beenden. Dies bedeutet wohl nur, dass spätestens bei der Ankunft von US-Außenminister Colin Powell die Panzer aus den neu besetzten Gebieten wieder abgezogen sind.

Bis dahin wird schneller und noch härter vorgegangen als bisher. Nach heftigen Gefechten, vor allem in Dschenin, wurden Hubschrauber eingesetzt, um, so hieß es, „den Widerstand einzudämmen“. Israels Stabschef Schaul Mofas berichtete über 200 seit Beginn der Operation getötete Palästinenser. 13 israelische Soldaten seien getötet worden.

Noch gibt sich Israels Regierung trotz des immer deutlicher werdenden internationalen Drucks gelassen. Es bestünden keine konkreten Abzugspläne, hieß es im Umfeld des Premiers. Verteididungsminister Ben-Eliesar ließ durchblocken, die Amerikaner hätten Verständnis dafür signalisiert, dass es keinen sofortigen Abzug gebe. Ein Sprecher des Außenministeriums sagte schlicht: „In den USA regiert Bush, hier entscheidet Scharon.“

Die US-Regierung ist offensichtlich verärgert, dass Israel die Bitte seines engsten internationalen Verbündeten und wichtigsten finanziellen Unterstützers missachtet. Bushs Beraterstab ist der Ansicht, dass Israel die Schwelle erreicht hat, wo nicht mehr von Selbstverteidigung im Kampf gegen den Terror gesprochen werden kann. Als besonderen taktischen Fehler betrachtet die Bush-Regierung die andauernde Belagerung von Arafats Amtssitz, da er so in die Opferrolle schlüpfen kann. Die Bilder von seinem umstellten Hauptquartier in Ramallah stehen im arabischen Raum symbolisch für die Erniedrigung der Palästinenser. Washington fürchtet den wachsenden Protest und seine möglichen destabilisierenden Konsequenzen vor allem in den traditionellen Partnerländern der Amerikaner wie Ägypten, Bahrain oder Jordanien.

Mit jedem weiteren Tag, an dem israelische Panzer durch die Autonomiegebiete rollen, gefährdet Tel Aviv die neue Nahost-Mission von Außenminister Colin Powell. Powell selbst betonte, die israelische Armee könne mit dem Abzug nicht bis zu seiner Ankunft warten.

Powell wird zunächst Marokko, Saudi-Arabien und Ägypten besuchen. Vor der Weiterreise nach Jordanien und Israel will er am Mittwoch und Donnerstag mit europäischen Außenministern und seinem russischen Kollegen Igor Iwanow in Madrid sprechen. Ein Besuch bei Arafat war anfangs nicht geplant. Aus Protest lehnten andere Palästinenser-Vertreter ein Treffen mit Powell ebenfalls ab. Nun deutet mittlerweile vieles daraufhin, dass die Bush-Regierung einlenken wird. Nachdem sie sich bislang strikt geweigert hatte, Arafat ins Weiße Haus einzuladen, und auch Vizepräsident Dick Cheney auf seiner Nahost-Tour vor wenigen Wochen ein Treffen ablehnte, könnte eine erneute Absage die Powell-Mission aufs Spiel setzen.

Von Arafat kommen unterdessen nur wenig Signale zur Kooperationsbereitschaft. Er beharrt darauf, sich persönlich mit seinen politischen Vertrauten beraten zu dürfen, bevor er eine Entscheidung über die amerikanischen Waffenstillstandsvorschläge treffen kann. Gleichzeitig weigerte er sich, die von Israel gestellte Bedingung nach einer Auslieferung der Mörder von Tourismusminister Rechawam Seewi, die offensichtlich im Präsidentenbüro Unterschlupf fanden, zu erfüllen. Dieser Bedingung wird er allein aus innenpolitischen Überlegungen niemals nachkommen. Sein Ziel ist zunächst eine schrittweise Aufhebung seiner Isolation, was ihm bedingt mit dem Besuch des US-Abgesandten Anthony Zinni Ende vergangener Woche bereits gelungen ist. Gleichzeitig „erlaubt seine Hartnäckigkeit“, so schreibt die Tageszeitung Haaretz am Sonntag, „der israelischen Armee ihren militärischen Druck auf Gebäude, in denen gesuchte Terroristen vermutet werden, fortzusetzen“.

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