Zuwachs beim Bund

Kanzler und Verteidigungsminister wollen Wehrpflicht beibehalten, Zahl der Soldaten doch aufstocken und Bundestagsrechte einschränken

HANNOVER/BERLIN taz ■ Die interessanteste Bemerkung ließ der Verteidigungsminister eher beiläufig fallen: Scharping deutete an, dass die Zahl der derzeit dienenden Soldaten aufgestockt werden soll. „Diese Entscheidung wird im April getroffen werden müssen“, erkärte Scharping auf die Frage eines Generals. Er erwarte als Konsequenz der Entwicklung des 11. Septembers eine „gewisse Erhöhung“ der Zahl von Berufssoldaten und auch von Wehrdienstleistenden, die sich freiwillig für eine längere Dienstzeit verpflichten.

Dieser Hinweis ist vor allem deshalb von Interesse, weil die Diskussion über die Bundeswehrreform bisher stets unter dem Vorzeichen einer Verkleinerung der Truppenstärke geführt wurde. Eine Aufstockung um offenbar mehrere tausend Soldaten wäre als Signal zu werten, was die Führung der Bundeswehr unter der häufig benutzten Floskel konkret versteht, die Streitkräfte seien „an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit“ angelangt.

Abgesehen davon sagte Scharping vor den Kommandeuren ausschließlich das Erwartbare. Er lobte – die Wehrpflicht: „Die Bundesrepublik Deutschland braucht die allgemeine Wehrpflicht.“ Die Reform der Streitkräfte: „Wir konnten seit 1998 entscheidende Meilensteine für die Bundeswehr der Zukunft setzen.“ Die Finanzplanung der Regierung: „Die finanziellen Grundlagen sind nicht komfortabel, aber sie sind hinreichend.“ Die Bundeswehr: „Das innere Gefüge der Streitkräfte ist intakt und das Ansehen in der Öffentlichkeit auch.“

Schröder deutete in Hannover an, dass er sich eine Aufhebung des Parlamentsvorbehalts bei Auslandseinsätzen vorstellen kann: Er befürworte ein „vernünftig gemachtes Entsendegesetz“. Derzeit habe der Bundestag mehr Rechte, als es die Verfassung gebiete, sagte Schröder. Dem Parlament garantierte der Kanzler lediglich ein „Mitspracherecht“.

Schröder und Scharping hatten sich bereits zuvor im SPD-Präsidium für die Beibehaltung der Wehrpflicht ausgesprochen. Es mache keinen Sinn, die Wehrpflicht in Frage zu stellen, sagte Schröder in Berlin. Es gehe dabei nicht nur um die Legitimation der Bundeswehr, sondern auch um die Rekrutierung der Soldaten und die Kosten. Obwohl es auch abweichende Meinungen gegeben habe, so Schröder, hätten sie die Zustimmung des Parteipräsidiums in dieser Frage erhalten. Er sei sicher, dass die SPD auch in ihrem Wahlprogramm an der Wehrpflicht festhalte.

BETTINA GAUS, JENS KÖNIG