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Mangas, Action und Migranten-Thriller

Heute startet das 3. Japanische Filmfestival im 3001: Eine Comicverfilmung von Shinsuke Sato, gleich zwei Filme von „Audition“-Regisseur Takashi Miike, eine Nagisa Oshima-Retrospektive und vieles mehr  ■ Von Tobias Nagl

An Durchhaltevermögen mangelt es den Machern keineswegs: Das Japanische Filmfestival Hamburg geht in die dritte Runde. Den diesjährigen Auftakt macht der junge Regisseur Shinsuke Sato, der zur Premiere seines bereits auf der diesjährigen Berlinale erprobten Martial-Arts-Dramas The Princess Blade auch persönlich anwesend sein wird. Sein ungeheuer düsterer Film basiert auf einem in den 70er Jahren populären Manga.

Wo Realverfilmungen grafischer Literatur vor allem für eines bürgen – haarsträubende Plotwendungen und absurdeste Action – entwirft The Princess Blade ein stimmungsvolles und visuell beeindruckendes Bild eines postapokalyptischen, totalitären Japans der Zukunft. In einer menschenleeren Wald- und Industrielandschaft kämpft die junge Yuki (Shaku Yomiko) um ihr Recht als Anführerin einer seit Generationen geheim operierenden Killerorganisation. Die Waffe, die dabei zum Einsatz kommt, ist – wie der Titel unschwer verrät – das traditionelle Schwert.

Inugugami von Masato Harada hingegen, der ganz sicher zu den interessantesten Stilisten der 90er Jahre zählt, surft auf der asiatischen Psychohorrorwelle der letzten Jahre. Zwischen gigantischen Zedern im Westen Japans lebt die stille Papierschöpferin Miki am Rande eines kleinen Dorfs. Als der Lehrer Akira dort hinkommt, sich in sie verliebt und sie schwängert, öffnen sich langsam, später jedoch immer hysterischer, die Tore zur Geisterwelt, erst per mysteriösem Windstoß, dann in Albträumen. Und irgendwann häufen sich handfeste Unglücksfälle.

Die grundlegende Geschichte dahinter ist so einfach wie universell: Es ist die Mär vom König Ödipus und der Brutalität, die das System Familie gerade in seinen intimsten Momenten produziert. Harado inszeniert imposant und mit dem richtigen Timing, wenn er auch nicht immer der Gefahr entrinnt, sich von seinem eigenen Gestaltungswillen blenden zu lassen.

Schneller zur Sache kommt natürlich Taka-shi Miike (Audition, Dead or Alive), einer der wenigen japanischen Genre-Auteurs in der Tradition von B-Film-Stilisten wie Seijun Suzuki. Bereits die ersten zehn Minuten des Migranten-Thrillers City of Lost Souls machen deutlich, dass im Folgenden mit höheren Oktan- wie Kaliber-Werten operiert wird: Frisch aus dem Gefängnis entlassen, befreit der muskelbepackte Japano-Brasilianer Mario seine chinesische Freundin Kei (Michelle Reis) per Helikopter aus einem Bus, der illegale Einwanderer deportieren soll.

Eine tour de force mit den Achsen Kokain, Geld und Ehre schließt sich an, auf der die Protagonisten durch Okinawa, Tokyo und Rio gejagt werden. Miike wäre nicht Miike, würde es dabei nicht unerwartete Plotwendungen noch und nöcher hageln. Mit Rainy Dog hingegen, entstanden bereits 1997, ist nun endlich eines der früheren Werke des Hotshots zu sehen: Er handelt von einem ohnehin mit seinem Schicksal hadernden Killer, der unerwartet mit einem Sohn konfrontiert wird.

Auf keinen Fall verpassen sollte man das Coming-of-Age-Drama Departure von Yosuke Nakagawa, der sich bereits mit Blue Fish einen Namen als feiner Beobachter mit eigenwillig-stiller, gelegentlich sogar an Großmeister wie Ozu erinnernder Bildsprache gemacht hat.

Departure handelt von drei Freunden auf Okinawa, die nach dem Abitur nun an der Schwelle zur weiten Welt stehen. Getrennt verbringen sie die letzte Nacht – bevor zwei der drei nach London oder zumindest Tokyo aufbrechen. Dabei ist es gerade die Einfachheit von Nakagawas Erzählweise, die der Verworrenheit der Aufbruchsgefühle seiner jugendlichen Protagonisten in ihrer ganzen Komplexität genügend Raum gibt, um den Zuschauer tief anzurühren.

Ein ganz besonderes Highlight stellt die diesjährige Retrospektive dar. Gewidmet ist sie Nagisa Oshima, mit dem die meisten westlichen Zuschauer, wenn überhaupt, seinen 70er Jahre-Skandalfilm Im Reich der Sinne verbinden. Von ihm sind vier unabhängig produzierte, äußerst rare Frühwerke zu sehen, die exemplarisch die Radikalität der japanischen Nouvelle Vague verdeutlichen – und oft zu Recht in ihrem knallbunten Agitprop-Modernismus mit Godard verglichen wurden. Und wenn auch nur, weil sie auf eine letzte Gewissheit der Avantgarde vertrauen konnten: dass sich hinter jeder Kamera-Einstellung eine politische Einstellung verbirgt.

Eröffnung mit Princess Blade: heute, 20.30 Uhr, 3001; Programm unter www.3001-kino.de

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