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Laufstegfassaden

In Alabastergips: Bettina Allamoda zeigt Prêt-à-porter-Skulpturen in der Galerie Zwinger

Es beginnt wieder mit einer Irritation. Konnte man sich im ersten Teil des Projekts „ready to wear / colonial“ von Bettina Allamoda in einer Modenschau wähnen, die per Video von Paris nach Berlin übertragen wurde, so glaubt man sich jetzt im zweiten Teil bauplastischen Modellen gegenüber: Aus drei schmalen Wandpaneelen aus Alabastergips treten einem junge Frauen entgegen. Wieder ist die Mode der Bezugspunkt, die rausgeschobenen Kniee und in die Hüfte gestützten Hände lassen die Frauen als Trägerinnen ausgesuchter Stücke erkennen.

Doch schon den zeitlichen Horizont ihres Auftritts zu bestimmen, wird schwer: Die eng anliegenden Kappen, der sportliche Stil, die geometrischen Muster und die fast kubistische Kantigkeit, mit der sie sich aus der Fläche schieben, erinnern an die Zwanzigerjahre, als Kunst und Mode sich schon einmal nahe rückten. Solche Reliefs könnten die Fassade eines Modehauses im Art déco geschmückt haben. Tatsächlich aber handelt es sich nicht um historische Rekonstruktionen: Als Vorlage für die halbplastischen Figuren hat Bettina Allamoda Videostills genutzt, die sie letztes Jahr in Paris bei den Prêt-à-porter-Schauen aufgenommen hat.

Aber damit rechnet man nicht. Denn solch dekorativem Kunsthandwerk begegnete man schon lange nicht mehr – und wenn, dann eher unter dem Vorzeichen des Abbaus, in den Fest- und Gemeinschaftssälen des Sozialismus. Solche Dekorationen hat Bettina Allamoda vor drei Jahren in ihrem Buch „les artistes décorateurs“ fotografisch dokumentiert. Und mehr noch: Teile einer abgewickelten Ausstattung wurden von ihr zersägt und zu Installationen umgewidmet. Denn schon länger lotet sie die Kontexte aus, die bestimmen, wann bestimmte Formen als Kunst oder als Dekoration oder als Zeichensprache der Mode wahrgenommen werden. Deshalb erinnern ihre Ausstellung so oft an eine andere Szene.

Eher klein sind die Elemente, die auf die Spur ihrer Recherche bringen. Im zweiten Raum der Galerie Zwinger läuft ein kurzes Video aus dem Musée des Arts D’Afrique et D’Océanie: Ein Relief verschränkt in einer Art kolonialen Euphemismus die Kulturen und Handwerke verschiedener Kontinente: asiatische Reisbauern, afrikanische Wasserträgerinnen, indische Bildhauer. Vor dieser exotischen Kulisse des Museums fanden seit den Achtzigerjahren immer wieder Modeschauen statt, die erneut aus dem Reichtum der Welt schöpften. In den Oberflächen ähneln sich das Dekorum der Kolonialzeit und der Globalisierung.

Allamoda spürt solche Zusammenhänge auf, aber kaum, um die Mode politisch korrekt zur Rechenschaft zu ziehen. Die Verschiebungen der Zeichen reizen sie vielmehr zu weiteren Transformationen.

Dabei macht sie auch vor einem Umbau des eigenen Werks nicht halt. Für die Projektion ihrer Videos aus Paris hatte sie letztes Jahr eine große Skulptur mit nach innen gebogenen Wänden gebaut, Zitat eines Gebäudes der modernen Architektur. Die taucht jetzt, verkleinert und mit einem Griff versehen, als „Accessoire-Sculpture“ wieder auf: Kunst, die man ausführen kann, wie ein Handtäschchen.

Fast übersieht man ob dieser ironischen Wendungen, dass es in dem Werkkomplex „ready to wear / colonial“ um elementare Fragen der Bildhauerkunst und der Konventionen der Wahrnehmung des Raumes geht. Bei der Rückkehr zu den kaum noch genutzten Techniken des Modellierens erprobt die Künstlerin auch das Potenzial des Handwerks, die Schnittstelle zwischen Raum und Fläche zu thematisieren. Aus der Fläche heraustreten, den Raum durch Bewegung gestalten: Das eben machen ja auch die Modells in ihren Defileen.

KATRIN BETTINA MÜLLER

„ready to wear / colonial II“, bis 11. 5., Di–Fr 14–19 Uhr, Sa 11–17 Uhr, Galerie Zwinger, Gipsstr. 3

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