: Verweigern wird weitergehen
Wehrpflichtgegner lehnen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ab. Sie erwarten weitere Verfassungsklagen: Das Thema werde nicht verschwinden, sei nur vertagt
Für Totalverweigerer Volker Wiedersberg hat der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts eine klare Konsequenz: Das Strafverfahren gegen ihn wird wieder aufgenommen. Trotzdem ist er nicht enttäuscht: „Ich habe mit nichts anderem gerechnet.“ Die Entscheidung in Karlsruhe geht auf seinen Fall zurück. Dadurch sei die Diskussion um die Wehrgerechtigkeit politisch, juristisch und gesellschaftlich forciert worden wie nie zuvor, glaubt er. Viel mehr hätte nicht erreicht werden können. „Jeder beschäftigt sich momentan mit der Wehrpflicht. Das ist ein Erfolg.“
„Ein krasses Fehlurteil“ ist für Christian Herz die gestrige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Wehrpflicht. Der Gründer der Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär glaubt, „das Bundesverfassungsgericht hat sich um die Entscheidung gedrückt“. Und das mit Argumenten, so auch Wiedersbergs Anwalt Wolfgang Kaleck, „die man tricky nennen könnte“. Es sei merkwürdig, wie das Gericht drei Jahre für diesen Beschluss brauchen konnte: „Da bleiben Fragen.“ Auch Wiedersberg ist verwundert, dass der Antrag aus formalen Gründen abgelehnt worden ist: „Die Richter haben sich mit der Frage der Wehrpflicht beschäftigt und sind dann zu dem Ergebnis gekommen: Nein, wir wollen nicht entscheiden. Dabei wäre eine sachliche Entscheidung möglich gewesen.“
Christian Herz sagte, das Verfassungsgericht hätte sich bei seiner Entscheidung vom Verteidigungsministerium täuschen lassen. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass es keine Wehrgerechtigkeit mehr gebe. „Nur noch jeder Dritte wird heute zum Wehrdienst einberufen.“ Wiedersbergs Anwalt sprach von einem Skandal: „Das Bundesverfassungsgericht lässt es dem Verteidigungsministerium offen, sich an der Lebenszeit junger Männer zu bedienen, wie es ihnen passt.“ Fehlende Wehrgerechtigkeit und fehlende sicherheitspolitische Legitimation sind die zwei Gründe, aus denen die Kampagne die Wehrpflicht für verfassungswidrig hält.
Wiedersberg wird sich mit dem Urteil des Verfassungsgerichts nicht abfinden: „Wenn wir eine Kammer finden, die eine neue Vorlage erarbeitet, kann ein neues Normenkontrollverfahren in die Wege geleitet werden.“ Außerdem rechnet er mit weiteren Verfassungsbeschwerden gegen die Wehrpflicht. „Das Thema wird nicht verschwinden, es wird nur vertagt.“ Dafür, so Herz, werde auch die Kampagne mit neuen Aktionen sorgen. „Wir werden unseren zivilen Ungehorsam intensivieren und unseren juristischen, bürokratischen und politischen Kampf verstärken.“
ANGELIKA HENSOLT
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