Schüler enden als Fußnote

Zu viele Schüler waren nicht bereit, am nationalen Bildungsvergleich Pisa-E teilzunehmen. Deswegen landen Berlins Schulen am Ende des Länderrankings – dort sind sie nicht mehr als eine Fußnote

von CHRISTIAN FÜLLER

Wenn die Bundesländer im Juni erstmals in der Geschichte der Republik ihre Schulen vergleichen, wird Berlin in dem Ranking nur für eine Fußnote gut sein. Darin steht: Auswertung nicht möglich. Ehrlicherweise sollten die Kultusminister hinter das Berliner Sternchen den genauen Grund für den Absentismus schreiben: Zu viele Schüler der Hauptstadt weigerten sich, an dem Test teilzunehmen – auch über ihre Eltern war kein Herankommen.

Das ist die wenig erfreuliche Schulbilanz seit gestern Mittag. Da nämlich musste Schulsenator Klaus Böger (SPD) die Teilnahme der Stadt an der nationalen Pisa-Studie absagen. Der Grund: In Haupt- und Gesamtschulen, steng genommen auch in Realschulen wurde die Mindestbeteiligung unterschritten. Nur die Gymnasien erreichten 82 Prozent Teilnahme – und lagen damit gerade über der geforderten Marge von 80 Prozent. An Hauptschulen waren es 54, an Gesamtschulen 64 Prozent der 15-Jährigen, die sich bereit erklärten, die Testbögen auszufüllen. 78 Prozent der zufällig ausgewählten Realschüler machten mit.

An den Haupt- und Gesamtschulen muss nun flugs nachgearbeitet werden. Denn Böger will unbedingt, dass Berlin wenigstens in der ausführlichen nationalen Pisa-Auswertung im November mit von der Partie ist. Die Nacherhebung wird das Land 60.000 Euro kosten. Es bestehen allerdings berechtigte Zweifel, ob die Hauptschulen die geforderte Quote erreichen können.

Jürgen Baumert, Forschungsleiter der nationalen Studie, sagte, die schlechte Beteiligung an Hauptschulen habe ihn nicht verwundert – denn dort sammle sich eine Schicht von Schülern, „bei denen eine kulturelle Distanz zur Schule vorhanden ist“. Baumert zeigte sich dennoch zuversichtlich, beim zweiten Anlauf die Quote zu schaffen – durch eine bessere Erhebungstechnik.

Die GEW hat größere Zweifel, dass der Hauptschultest noch funktionieren wird. Die Hauptschüler, sagte der GEW-Abteilungsleiter Thomas Isensee der taz, hätten gar kein Motiv, an den Schülervergleichstests teilzunehmen. Sie spürten, „dass sie sich am Ende der sozialen Skala befinden und dass niemand bereit ist, sie dort abzuholen“. Isensee bezog das ausdrücklich auch auf Bögers Schulpolitik.

Obwohl Böger sehr genau wisse, dass sich in Hauptschulen eine negative kognitive und soziale Schülerauslese befinde, tue er nichts, um dies zu ändern. Im Gegenteil: In den 5. und 6. Klassen praktiziert Berlin seit diesem Schuljahr die so genannte äußere Leistungsdifferenzierung. Das heißt, die Schüler werden nach „gut“ und „schlecht“ sortiert. Nach Pisa sei das genau der falsche Weg, sagte Isensee.

Die GEW ermunterte Böger daher gestern, die Grundschule als „Schule für alle“ zu stärken – und die Leistungssortierung zurückzunehmen. Böger reagierte barsch auf dieses Ansinnen: Die Debatte über die gegliederte Schule sei falsch. „Ich werde sie unterbinden.“

inland SEITE 8, meinung SEITE 12