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„Keine Wagenburg“

Murdoch und Berlusconi vom deutschen Markt auszuschließen, hält Wolf-Dieter Ring nicht für möglich. Dazu sieht der Chef der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien auch gar keinen Grund

„Ich vermute, dass sich die Deutsche Bank die Filetstücke untern Nagel reißt“

taz: Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien ist Lizenzgeber der meisten Kirch-Sender, darunter DSF, 9 live und Premiere. Wie verhalten Sie sich denn jetzt?

Ring: Wir müssen die Lösungen, die sich jetzt abzeichnen, sicherlich ermöglichen. Das Medienrecht für solche nationalen Zulassungen setzt natürlich Grenzen, etwa in Konzentrationsfragen und auch bei den Inhalten. Einen Gewalt verherrlichenden Kanal, Rassismus oder Pornografie kann das Medienrecht nicht zulassen. Murdoch ist im Pay-TV-Bereich und Berlusconi an der Holding von Kirch mit geringen Anteilen beteiligt. Beide Bereiche sind bis heute nicht in einem Insolvenzverfahren – was sich aber ändern kann, das weiß man nicht. Es gibt keinen Rechtsgrund in Deutschland, der eine größere Beteiligung von Murdoch oder Berlusconi ausschließen würde. Das kann man rechtspolitisch diskutieren, aber eine Gesellschaft, die in Italien zu Hause ist, hat natürlich das Recht, sich an einer deutschen Gesellschaft zu beteiligen.

Es gibt aber im Medienrat der BLM auch Unbehagen gegenüber einem stärkeren Engagement besonders von Silvio Berlusconi.

Solche Wege, wie sie Berlusconi in Italien geht, wären in Deutschland mit einem deutschen Regierungschef nach unserem Recht ausgeschlossen und sind auch gar nicht realistisch. Das würde gegen Verfassungsrecht verstoßen. Es müssten 16 Ministerpräsidenten diesen Weg hier auch mitgehen. Ich kritisiere diese emotionale Alibidiskussion. Es geht nicht um die Sache, sondern es wird politisch aufgeheizt und oft scheinheilig diskutiert. Zu allem Überfluss hat die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien zur Abwehr von Berlusconi Murdoch eine Sperrminorität des Bundes von 25 Prozent bei Kirch vorgeschlagen, damit man die anderen ausschließt. Da würde man den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. Dann gibt es da ganz ernsthafte verfassungsrechtliche Probleme in Deutschland mit einem unmittelbaren Staatseinfluss. Doch dieser Vorschlag wird offenbar nicht weitergeführt. Es gibt hier Investoren, die wir offensichtlich in Deutschland brauchen und auch willkommen heißen sollten. Wir haben selbst einige, nicht genügend, die hier im Markt investieren. Die politische Diskussion über Berlusconi muss vielleicht in der Europäischen Union und international geführt werden.

Sie haben als BLM-Präsident auch die Aufgabe, die Politik zu beraten. Sollte im Medienrecht, angesichts eines möglichen größeren Engagements Berlusconis bei Kirch, der Durchgriff von Gesellschaftern auf Redaktionen eingedämmt werden?

Das sehe ich überhaupt nicht. Es bedarf hier keiner Spielregeln, die verhindern, dass ein Unternehmer, der sich beteiligt, sich auch engagiert. Es gibt journalistische Grundsätze, die als Programmgrundsätze in Medien ausdrücklich vorgegeben sind. Es gibt einen großen Wettbewerb in den elektronischen Medien in Deutschland. Wir haben eine große Meinungsvielfalt. Wer den Eindruck erweckt, da kommt einer und der macht jetzt den Durchmarsch und beeinflusst die öffentliche Meinung in Deutschland insgesamt einseitig – der verkennt die Realität.

„Ich kritisiere diese emotionale Alibi- diskussion. Es geht nicht um die Sache“

Wer ist Ihr Wunschpartner für Kirch?

Ich bin nicht einer, der irgendeiner Deutschland AG das Wort redet. Ich halte solche Thesen für falsch und auch für schlecht für unsere weitere Zukunft. Wir brauchen in einer globalen Medienwelt keine Wagenburgmentalität, sondern einen offenen Markt. Es ist keine Zukunftslösung, alle ausländischen Investoren abzuwehren. Es gibt auch mögliche Investoren aus Deutschland. Springer, der WAZ-Konzern, Bertelsmann und die Telekom werden genannt. Das sind alles jetzt offensichtlich Vorprüfungen und Interessenbekunden. Wenn ernsthafte Senderbeteiligung vorgesehen ist, ist das anzeige- und genehmigungspflichtig. Es liegt noch kein Vorschlag am Tisch. Konzentrationsprobleme sehe ich nur bei Bertelsmann. Wer die Kirch Media weiterführt, ist noch völlig unklar.

Wie beurteilen Sie die Rolle der Deutschen Bank bei der Kirch-Media-Pleite?

Ich halte es für unverantwortlich, dass der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Rolf Breuer, Kirch öffentlich für kreditunwürdig erklärt hat. Das hat eine ganz negative Wirkung gehabt, noch dazu vor internationalem Publikum. Das hat den Stein ins Rollen gebracht. Es muss die Absicht dieser Gläubigerbank gewesen sein, Kirch in Schwierigkeiten zu bringen. Sonst ist das nicht erklärbar. Ich vermute, dass sich die Bank die Filetstücke unter den Nagel reißen will. Aber schuld an dem Insolvenzantrag ist sicher auch die teure Beteiligung an Formel 1.

Als Erstes müssen Sie die vor einem Monat vorgelegten Änderungspläne bei Premiere genehmigen. Werden Sie das Konzept des neuen Senderchefs Georg Kofler unterstützen?

„Es ist keine Lösung, alle ausländischen Investoren abzuwehren“

Das ist harmlos. Ein Programm einstellen, anderes verstärken. Ich halte das für eindeutig genehmigungsfähig.

INTERVIEW: OLIVER HINZ

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