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„Geschmacklos und schlimm“

Der FU-Zivilrechtler Uwe Wesel hält das Verhalten des palästinensischen Vaters, der seiner Tochter öffentlich eine Bombenattrappe umgebunden hatte, für schwierig zu bestrafen. Sonst müsste man auch Möllemann belangen

Interview JAN ROSENRANZ

taz: Nach welchem Paragrafen könnte man diesen Demonstranten überhaupt bestrafen?

Uwe Wesel: Was er getan hat, ist in höchstem Maße geschmacklos und schlimm. Noch dazu, weil er seine Tochter dafür politisch missbraucht hat. Trotzdem bin ich nicht der Meinung, dass man den Mann unbedingt bestrafen muss – vorausgesetzt, man findet ihn überhaupt.

Innensenator Körting (SPD) sieht das anders, der Mann habe öffentlich für Mord geworben. Auch FDP-Chef Westerwelle sagt, das war ein Aufruf zur Gewalt?

Das ist Unsinn, wenn er das gesagt hat. Eines ist es nämlich nicht: Aufforderung zur Gewalt, also Volksverhetzung nach Paragraf 130 des Strafgesetzbuches. Dazu hätte der Mann zum Mord in der Bundesrepublik aufrufen müssen. Das hat er nicht. Zudem stellt sich die Frage, ob es hierzulande überhaupt Adressaten für einen solchen Aufruf gibt.

Aber laut Innenminister Otto Schily (SPD) droht ihm jetzt die Ausweisung. Diese Strafe sehe das Sicherheitspaket II für Ausländer vor, die bei uns „öffentlichen zur Gewalt aufrufen“.

Die Frage ist ja, ob er überhaupt zur Gewalt aufgerufen hat. Gravierender ist das Sicherheitspaket II in einem anderen Punkt. Denn seit kurzem ist hierzulande die Unterstützung und die Werbung nicht nur für inländische, sondern auch für ausländische Terrororganisationen strafbar.

Könnte man denn sagen, er hat mit dieser Aktion Terroristen unterstützt?

Unterstützung kann man ihm sicherlich nicht vorwerfen, möglicherweise aber Werbung. Man müsste das genau prüfen. Die Frage ist: Könnte es andere Menschen dazu verführen, Geld für terroristische Vereinigungen zu sammeln oder sich anderweitig für sie zu engagieren? Wenn man es so werten will, und ich neige dazu, dann ist das Werbung. Und dann könnte ihm Strafverfolgung und am Ende die Ausweisung drohen.

Das heißt, man würde wegen Verstoß gegen den Paragrafen 129 a ermitteln – wie zu Zeiten der RAF?

Im Prinzip ja. Damals war es ja so: Es reichte aus, dass jemand in großen Lettern „RAF“ an eine Autobahnbrücke gemalt hat, damit ein Ermittlungsverfahren wegen der Unterstützung beziehungsweise Werbung für eine terroristische Vereinigung eingeleitet wurde. Dann kam man in der Regel sofort in Untersuchungshaft und später eigentlich nie mit einer Bewährungsstrafe davon. Dieser Fall könnte nach dem gleichen Prinzip verlaufen.

Also rechnen Sie damit, dass er bestraft werden würde?

Ausschließen würde ich es nicht. Dabei unterscheidet sich das, was dieser offensichtlich verzweifelte Mann getan hat, nur geringfügig von dem, was Jürgen Möllemann vorgeworfen wird. Sinngemäß soll er gesagt haben: Wenn man ihn in seinem eigenen Land so angreifen würde, wie die Israelis die Palästinenser angreifen, würde er sich genauso wehren. Wenn man den Demonstranten also verfolgen will, dann müsste man auch Möllemann bestrafen.

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