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Die Bundesregierung störte sich an der leichten Satirekost auf der Homepage des Berliner Comedy-Autors Clausen. Kurzerhand ließ sie die Webseite abschalten

Satire ist manchmal ein Stachel, der tief sitzt. Auch bei der Bundesregierung, wie ein aktueller Fall beweist. Knapp zwei Wochen lang war der Berliner Comedy-Autor Murmel Clausen mit seiner Satireseite www.deutsche-bundesregierung.de online, bevor sie vom Provider am vorigen Dienstag abgeschaltet wurde. Gestern wurde Clausen überdies zum Bundespresseamt zitiert, wo ihm erklärt wurde, dass man die Angelegenheit außergerichtlich klären wolle. „Das war zu eng an unserer eigenen Seite und hat außerdem gegen das Namensrecht verstoßen“, betont Michael Jürdens, Redaktionsleiter der offiziellen Internetpräsenz bundesregierung.de.

Auf den ersten Blick sah die Webseite Clausens wie die Homepage der Bundesregierung aus. Das Layout war ähnlich, auch die schwarz-rot-goldenen Balken durften nicht fehlen. Doch beim Durchstöbern der täglich aktualisierten Inhalte musste jeder Internetsurfer stutzig werden. So wurde aus der korrekten Meldung der Verbraucherschutzbehörde, dass konjakhaltige Süßwaren wegen gesundheitlicher Bedenken verboten werden sollen, die Scherzmeldung: „Künast verbreitet kokainhaltige Süßwaren. Die Verbraucherschutzministerin hat die Verwendung des Geliermittels Glukokannan (Kokain) für die Herstellung sämtlicher Gelee- Süßwaren veranlasst.“

Auch eine lange Rede des Kanzlers Gerhard Schröder über die deutsch-französische Verständigung wurde bei Clausen zur gezielten Schmunzeldosis umgeformt. Dort behauptete das Regierungsoberhaupt angeblich, dass eine deutsch-französische Freundschaft von den Amerikanern nur aufgezwungen wurde und es „für alle besser wäre, wenn Europa dem starken Deutschland folgt“. Und dass es gegen die Natur des Deutschen spreche, „freundschaftlich mit einem Land verbunden zu sein, dessen Bevölkerung Frösche frisst.“

Bei den meisten Meldungen habe er nur wenige Worte verändert, dennoch ergab sich ein völlig anderer Sinn, erklärt Clausen. „Es war wichtig, möglichst nah an den Dingen zu bleiben.“ Auch wenn manche Persiflagen härter ausfielen und als Kritik an der derzeitigen Politik gelten konnten, sei es nichts anders als leicht verdauliche Satire gewesen. Der Zuspruch aus dem Internet habe ihm bestätigt, dass seine Seite auch nicht anders verstanden wurde. „Nur einer war total verwirrt und wusste nicht mehr, was er von der heutigen Politik halten soll.“

Neben Clausen kümmerten sich noch zwei weitere Mitstreiter um die Aktualisierung der Webseite. Dabei konnte er auf professionelle Hilfe vertrauen: Auch ein Redakteur der Satirezeitschrift Titanic steuerte seine Texte bei. Clausen selber schreibt regelmäßig Vorlagen für TV-Comedy-Shows und war auch an der Kinoblödelei „Der Schuh des Manitu“ als Drehbuchautor beteiligt.

Nunmehr ist jedoch eine Wiederbelebung seines neuesten Projekts fast unmöglich. Das Bundespresseamt hat bei der Denic, der zentralen Domainverwaltungsgesellschaft, beantragt, die Adresse sperren zu lassen. Der Anwalt von Clausen räumt diesem bei einem Streit vor Gericht wegen der Verletzung des Namenrechts wenig Chancen ein. „Ich beschäftige nun einmal keine Schar von Anwälten und kann das auch nicht in mehreren Instanzen ausfechten“, betont Clausen.

Während spöttelnde Zeitschriften wie Titanic oder Eulenspiegel längst zum Establishment des Blätterwaldes gehören und sich kaum noch ein Politiker um die dort abgedruckte Persiflage kümmert, ist die Empfindlichkeit der Regierungsvertreter bei Satireseiten im Internet scheinbar noch höher. Das beweist allein die Tatsache, dass noch andere nichtkommerzielle Seiten im Netz existieren, die sich ihren Spaß aus der Informationsseite der Bundesregierung machen. „Deshalb kann eine ähnlich lautende Domain nicht der einzige Grund für die Verstimmung sein“, sagt Clausen. Aber bei ihm höre wohl der Spaß auf. HENNING KRAUDZUN

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