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geben & nehmenKuhhandel in der Kriminalpolitik

Das Strafrecht zu verschärfen ist in Deutschland meistens populär – Strafvorschriften zu streichen dagegen weniger. Deswegen ist es eine besondere Herausforderung, bei der Einführung neuer Straftatbestände zugleich alte zu stutzen. Aber das Verfahren funktioniert selbst im Bereich der inneren Sicherheit – die Grünen haben das jetzt sogar bei der heiklen Frage der Terrorbekämpfung vorgemacht.

Kommentarvon CHRISTIAN RATH

Konkret wollte die SPD nach dem Anschlag auf die Synagoge von Djerba die Bestrafbarkeit weltweit agierender Terrorgruppen in Deutschland ausweiten. Doch statt nur Korrekturen an der Neuregelung nach den Attentaten vom letzten September zu verlangen, haben die Grünen auch eine Forderung durchgesetzt. Die bloße Sympathiewerbung für eine terroristische Vereinigung wird künftig nicht mehr als Terrorismus bestraft.

Ähnlich clever agiert derzeit Stuttgarts Justizminister Ulrich Goll (FDP). Er wurde im Januar von Thomas Schäuble (CDU), dem baden-württembergischen Innenminister, gedrängt, das Polizeigesetz zu verschärfen, damit Polizei und Verfassungsschutz leichter Telefone und Wohnungen abhören können. Der Liberale Goll sagte nicht Nein, sondern forderte seinerseits, das Grundrecht auf Datenschutz in die Landesverfassung und – per Bundesratsinitiative – auch ins Grundgesetz einzufügen. Seither hat man von Schäubles Polizeigesetzänderung nichts mehr gehört. Mit dem Angebot derartigen Kuhhandels kann man also auch testen, wie wichtig den Scharfmachern bestimmte Maßnahmen überhaupt sind. Wenn es ihnen nur um die Law-and-Order-Symbolik geht, dann haben sie manchmal gar kein Interesse an ausgewogenen Schritten.

Sinnvoll kann es auch sein, bei populären Forderungen der Konservativen einzuhaken. So streiten Union und Rot-Grün derzeit um die Anordnung von Sicherungsverwahrung nicht schon im Urteil, sondern erst im Verlauf der Haft. Mag sein, dass hier eine kleine Schutzlücke geschlossen wird. Doch was spricht dagegen, zugleich auch das Instrument Sicherungsverwahrung zielgenauer zu machen? Was bei notorischen Gewalttätern sinnvoll ist, muss es bei Dieben und Geldfälschern noch lange nicht sein. Die Herausnahme von Vermögensdelikten aus der Sicherungsverwahrung läge als Gegenleistung für die geplante Verschärfung also durchaus nahe – Forderungen, wie geschaffen für die Grünen und die Liberalen. Doch die schweigen. Offenbar haben noch nicht alle das Kuhhandelprinzip begriffen.

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