: Umwelt im US-Wahlkampf
Vor den Kongresswahlen will Demokrat Al Gore mit Energiepolitik punkten
WASHINGTON taz ■ Einmal im Jahr ist Tag der Erde und da gilt es, eine gute Tat für die Natur zu verrichten. Selbst US-Präsident George W. Bush ist dabei. Doch diese Woche ging es für Bush um mehr als um eine reine Pflichtübung. Er muss Punkte sammeln. Nicht bei den Umweltaktivisten. Die haben ihn längst abgeschrieben. Sondern bei den Unentschlossenen und Wechselwählern. Denn die Demokraten haben den Umweltschutz als Wahlkampfthema entdeckt und wollen im Herbst die Mehrheit im Kongress erobern.
So stiefelte Bush mit der Chefin der US-Umweltbehörde nicht einfach nur durch einen verschneiten Wald und testete die Wassergüte eines Flusses, sondern nutzte die Gelegenheit, für seine Initiative „Clear Sky“ zu werben. Diese, so verkündete Bush, werde innerhalb der nächsten 15 Jahre den Ausstoß von schädlichen Emissionen in die Atmosphäre um 70 Prozent reduzieren und sei überhaupt viel wirksamer als ein Gesetz zur Luftreinhaltung, dass von seinem Vater verabschiedet wurde und Firmen auf bestimmete Standards verpflichtet. Bush junior verschwieg jedoch, dass sein Vorhaben vor allem eine gute Tat für die Industrie ist, da es sich um eine freiwillige Regelung handelt.
Und plötzlich ist der demokratische Exvize Al Gore wieder zur Stelle und geißelt Bushs Pläne als „Dirty Sky“. Sie würden zu mehr Luftverschmutzung führen. Erinnerungen werden wach an den Wahlkampf 2000. Trommelt Gore nur für die Kongresswahlen oder will er sich gar für das Rennen 2004 um das Weiße Haus empfehlen? Wie dem auch sei: Gore is back. Vor zehn Tagen betrat er die politische Bühne wie zum Trotz ausgerechnet in Florida und attakierte auf einer Parteiveranstaltung der Demokraten heftig Bushs Energie- und Umweltpolitik. Und während einer Rede in seiner Heimatstadt Nashville warf er der Regierung umweltpolitisches Versagen vor. Zudem schrieb er passend zum Erdtag einen Artikel in der New York Times. Kernaussage: Bush lasse sich seine Politik von der Öl- und Chemielobby diktieren.
Die Demokraten glauben ein innenpolitisches Thema gefunden zu haben, auf dem sie die Republikaner vorführen können. Im Krieg gegen den Terror sind sie zu Statisten degradiert, selbst die traditionelle Bildungspolitik hat Bush ihnen erfolgreich entzogen. Angriffsflächen in der Umweltpolitik bietet Bush jedoch genug. Den Klimaschutz nimmt er nicht ernst. Die Grenzwerte für toxische Stoffe in Gewässern ließ er anheben. Von energieeffizienten Produkten und Benzin sparenden Autos hält er nichts. Schließlich wollte er in Nationalparks nach Öl bohren lassen.
Gore & Co haben jedoch ein Problem. Zwar wissen sie die Umweltverbände auf ihrer Seite. Das Thema Umweltschutz rangiert aber bei den Menschen nach dem Anti-Terror-Krieg, Wirtschaft und Bildung gegenwärtig abgeschlagen auf den hinteren Plätzen. Doch genau hier wollen die Demokraten ansetzen. In Bundesstaaten wie Nevada, Florida oder Missouri ist die Wählerschaft gespalten. Im Wüstenstaat soll der gesamte US-Atommüll eingelagert werden, am Mississippi dürfen Firmen weiterhin Blei in Grundwasser und Boden einleiten. Hier könnten Umweltthemen die Wahlentscheidung beeinflussen.
MICHAEL STRECK
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