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Alte, neue oder keine Stammzellen?

Wenn der Bundestag heute über das Gesetz zum Import embryonaler Stammzellen entscheidet, wählt er zwischen drei Möglichkeiten: Die Einfuhr soll entweder mit strengen Auflagen, mit nicht so strengen oder gar nicht erlaubt werden

von WOLFGANG LÖHR

Heute entscheidet der Bundestag, ob der Import von embryonalen Stammzellen erlaubt sein soll. Wie schon bei der Abstimmung Ende Januar zur Frage des Ob und Wie eines Stammzellgesetzes wurde auch dieses Mal von den verschiedenen überfraktionellen Parlamentarierbündnissen bis zur letzten Minute an Änderungsanträgen gefeilt.

Für die schon seit Monaten in den Startlöchern stehenden deutschen Stammzellforscher hängt viel von dem Gesetz ab. Denn heute entscheidet sich, ob sie tatsächlich und, wenn ja, mit welchen Auflagen sie embryonale Stammzellen aus dem Ausland einführen dürfen.

Lediglich zwei Punkte sind bisher unstrittig: Die Herstellung von eigenen Stammzellen bleibt verboten, wenn dazu Embryonen vernichtet werden müssen. Auch das therapeutische Klonen bleibt strafbar. Dazu hätte das Embryonenschutzgesetz geändert werden müssen. Diese Debatte wollten sich die Politiker jedoch in dieser Legislaturperiode ersparen.

Der Streit über das Stammzellgesetz kochte letzte Woche erneut hoch, als der Forschungsausschuss einen maßgeblich von Margot von Renesse (SPD), Maria Böhmer (CDU) und Andrea Fischer (Grüne) erarbeiteten Entwurf billigte. Im Rechtsausschuss fiel das Papier durch. Es sieht vor, dass nur die Einfuhr von embryonalen Stammzellen, die vor dem Stichtag 1. Januar 2002 gewonnen wurden, erlaubt sein soll. Die Stammzellen dürfen nur aus so genannten überzähligen Embryonen, für die nach einer künstlichen Befruchtung keine Verwendung mehr besteht, gewonnen worden sein.

Zur Genehmigung soll eine Behörde eingerichtet werden. Geprüft werden soll unter anderem, ob ein „hochrangiges Forschungsziel“ verfolgt wird, und ob die Ergebnisse nicht auch mit alternativen Methoden, Tierversuchen etwa oder mit adulten Stammzellen, gewonnen werden können. Bei ihrer Entscheidung soll die Behörde das Votum einer interdisziplinär zusammengesetzten „Zentralen Ethik-Kommission“ berücksichtigen.

Auf heftige Kritik stieß ein Paragraf, der den Forschern in Deutschland erlauben sollte, sich jenseits der Grenzen an Forschungsprojekten zu beteiligen oder sie sogar in Auftrag zu geben, die hierzulande strafbar sind. „Das geht weit über das hinaus, was der Bundestag im Januar beschlossen hat“, sagt der CDU-Abgeordnete Hubert Hüppe. Offenbar aus Angst davor, dass dieser Passus auch vielen Befürwortern des eingeschränkten Stammzellimports zu weit geht und sie das Gesetz deshalb ablehnen, formulierten Renesse, Böhmer und Fischer in letzter Minute noch einen Änderungsantrag für ihren eigenen Gesetzesentwurf. Der Passus soll jetzt ersatzlos gestrichen werden.

Für die Grüne Monika Knoche ist die heutige Abstimmung eine „Grundsatzentscheidung“ darüber, ob „wir in Deutschland einen Forschungszweig etablieren wollen, der auf der Vernutzung von Embryonen aufbaut“. Knoche hat gemeinsam mit Hüppe und dem SPD-Abgeordneten Wolfgang Wodarg einen eigenen Änderungsantrag eingereicht. Er sieht vor, dass die Einfuhr von embryonalen Stammzellen ausnahmslos verboten ist.

Ein dritter Änderungsantrag kommt von Ulrike Flach (FDP). Sie greift die unter anderem vom designierten Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft gestellte Forderung nach einem „so genannten nachlaufenden Stichtag von etwa 6 Monaten vor Antragstellung“ auf. Demnach sollen auch in Zukunft hergestellte Stammzellen eingeführt werden dürfen. Der Zeitraum zwischen Gewinnung der Zellen und Antragstellung solle jedoch sicherstellen, „dass keine Embryonen auf Bestellung erzeugt werden“.

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