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Der kaspische Ölgipfel ist gescheitert

Die Präsidenten der fünf Anrainerstaaten streiten über Zugang zu den Rohstoffquellen. Russland und Iran wollen Einfluss der USA und der Westkonzerne zurückdrängen, die eine neue Pipeline zum Mittelmeer planen

ISTANBUL taz ■ Mit einem Eklat endete am Mittwochabend das Treffen der fünf Präsidenten der Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres in der turkmenischen Hauptstadt Aschchabad. In dem seit über zehn Jahren schwelenden Streit um die Aufteilung der reichen Öl- und Gasvorkommen der Region konnten die Präsidenten aus Russland, Iran, Aserbaidschan, Kasachstan und Turkmenistan nicht die kleinste Annäherung erzielen. Stattdessen sprach der gastgebende Präsident von Turkmenistan, Saparmurat Nijasow, düster von einer drohenden Militarisierung: „Es riecht nach Blut.“

Der Konflikt um die Ausbeutung der Öl-und Gasvorkommen um und unter dem Kaspischen Meer begann mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der darauf folgenden Unabhängigkeit von Aserbaidschan, Turkmenistan und Kasachstan. Bis dahin hatte Moskau sich mit dem Iran auf eine jeweiligen 50 Prozent Anteil geeinigt. Für Aserbaidschan, Kasachstan und Turkmenistan sind die Vorkommen mittlerweile existenziell. Die prognostizierten Öl- und Gaseinnahmen sind für die Aseris und den Wüstenstaat Turkmenistan die einzige Hoffnung, Geld in die Staatskasse zu bekommen.

Bei dem Gipfel stellte sich vor allem Irans Präsident Chatami stur. Er beharrte auf der alten Regelung, nach der Iran 50 Prozent zustehe. Putin schien flexibler, machte aber auch kein Angebot. Die neuen Staaten wollen das Kaspische Meer, dessen Wasser zwar salzig ist, das aber keine Verbindung zu den Ozeanen hat, dagegen nach internationalem Seerecht aufteilen und beanspruchen die Schürfrechte in ihren Küstengewässern. Da Iran und Russland heute nur noch an kurzen Küstenstreifen direkt ans Meer angrenzen, wären sie die Verlierer einer solchen Regelung.

Iran und Russland wollen den US-Einfluss in der Region zurückdrängen. Chatami betonte wiederholt, eine Regelung sei nur möglich, wenn die betroffenen Länder ohne fremden Druck verhandeln. Dahinter verbirgt sich der lang angestaute Ärger über die amerikanische Politik, Iran und Russland bei der Ausbeutung des Kaspischen Meeres möglichst auszuschalten. Unter dem Stichwort „Neue Seidenstraße“ wollen die USA eine Ost-West-Energietrasse ans Mittelmeer bauen, die von Kasachstan über Baku und Georgien in die Türkei führen soll und damit iranische und russische Piplines überflüssig machen würde.

JÜRGEN GOTTSCHLICH

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