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Nur kleine Änderung am Stasi-Gesetz

Einigkeit bei Streichung des Schwärzungsparagrafen. CDU aber strikt gegen Herausgabe von Prominentenakten

BERLIN taz ■ Eine umfassende Änderung des Stasi-Unterlagengesetzes wird es in dieser Legislaturperiode wohl nicht mehr geben. Die Union will im Bundesrat nur einer kleinen Novellierung zustimmen. Bei einer Anhörung im Innenausschuss des Bundestags sprachen sich die Experten mehrheitlich dafür aus, dass personenbezogene Informationen nicht geschwärzt werden sollten.

Nach Paragraf 14 müssten ab dem 1. Januar 2003 personenbezogene Informationen anonymisiert werden, wenn der Betroffene das beantragt. Dass dieser Paragraf wegfallen soll, da sind sich die innenpolitischen Sprecher von SPD, Grünen und Union mit der Stasi-Beauftragten Marianne Birthler einig. „Der Paragraf muss gänzlich gestrichen werden“, sagte Cem Özdemir (Grüne) der taz. Dieter Wiefelspütz (SPD) erklärte: „Wir wollen die Akten erhalten, nicht aber sie unbrauchbar machen.“ Wolfgang Bosbach (CDU) stimmt zu: „Wir sind nicht dafür, dass ab 1. Januar solche Anonymisierungsanträge gestellt werden können.“

Auch die meisten Historiker, Rechtsanwälte und Vertreter von Opferverbänden, die der Innenausschuss befragt hat, könnten auf Paragraf 14 verzichten. „Für Historiker sind geschwärzte Unterlagen unnütz“, sagte der Chef des Bundesarchivs, Hartmut Weber. Horst Möller vom Münchner Institut für Zeitgeschichte fügte hinzu: „Es darf keine Schlussstrich-Mentalität geben.“

Würde man nur den Paragrafen 14 streichen, wäre eine Änderung des Stasi-Unterlagengesetzes wohl noch in dieser Legislaturperiode möglich. Streit gibt es jedoch beim Paragrafen 32. Darin heißt es, die Birthler-Behörde dürfe Informationen über Personen der Zeitgeschichte, Inhaber politischer Funktionen oder Amtsträger herausgeben, „soweit sie nicht Betroffene oder Dritte sind“. Helmut Kohl hatte im März vor dem Bundesverwaltungsgericht mit Hilfe dieses Halbsatzes durchgesetzt, dass Stasiakten nur mit dem Einverständnis der Betroffenen von Journalisten oder Wissenschaftlern eingesehen werden dürfen. Die Richter schoben damit der zehnjährigen Praxis der Behörde einen Riegel vor – und weckten Befürchtungen, dass sich auch SED-Funktionäre auf diesen Halbsatz berufen könnten.

Einige Experten schlugen deshalb vor, den Halbsatz zu streichen. Johannes Begleites vom Leipziger Bürgerkomitee sagte: „Ich sehe die Persönlichkeitsrechte der Opfer in den anderen Paragrafen ausreichend geschützt.“ Dem schloss sich unter anderem auch Lutz Tillmans vom Deutschen Presserat an. Rechtsanwalt Michael Kleine-Cosack allerdings warnte vor einem „Schnellschuss“. Diskutiert wurde außerdem, ob man stattdessen eine Klausel einfügen soll, die die Rechte ehemaliger SED-Funkionäre einschränkt. Viele fanden eine Definierung dieser Gruppe problematisch.

Eine Änderung des Paragrafen 32 kommt für die Union ohnehin nicht in Frage. „Dafür gibt es keinen vernünftigen Grund“, so CDU-Innenpolitiker Bosbach zur taz. Özdemir (Grüne) kommentierte: „Alles, was Kohl irgendwie betreffen würde, ist mit der Union nicht machbar.“ NICOLE JANZ

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