Volumen mit weniger Vehemenz

■ Neue Architektur-Impulse in Bremen: Clemens Bonnen und das Dogma vom „Steinernen Berlin“

In der Bremer Architektenausbildung findet zurzeit ein Generationswechsel statt. Drei neue Professorenstellen sind an der Hochschule Bremen bereits besetzt. Weitere werden in Kürze folgen, so dass in ein paar Jahren der Fachbereich Architektur dort ein völlig verändertes Gepräge haben wird.

Der personelle Wandel könnte nicht nur für die Ausbildung, sondern auch für die hiesige Baukultur einen belebenden Effekt haben. Das jedenfalls wird man sich bei der Architektenkammer gesagt haben, die die drei Neuen eingeladen hat, sich mit Werkberichten vorzustellen.

Nach dem Süddeutschen Hartmut Ayrle (vgl. taz vom 12. Februar) und Ingo Lütkemeyer, der seinen bisherigen Tätigkeitsschwerpunkt in Berlin hatte, stellte sich jetzt mit Clemens Bonnen ein weiterer Architekt aus der Hauptstadt vor.

Mit Berlin verbindet sich in Fachkreisen in den letzten Jahren zunächst ein unseliger Streit, in dessen Mittelpunkt das Dogma vom „steinernen Berlin“ steht. Man setzt hier seit den Tagen der Internationalen Bauausstellung (IBA) in den 80er Jahren vor allem auf eine „kritische Rekonstruktion“ der vom Baublock geprägten Stadtstruktur des 19. Jahrhunderts. Anhänger einer an die klassische Moderne anknüpfenden Architektur haben es in Berlin schwerer als andernorts.

Dass die Lage aber auch für sie nicht hoffnungslos ist, belegen die vorgestellten Arbeiten des 42-Jährigen. Bonnen knüpft an verschiedene Momente der modernen Tradition an. So findet man Bezüge zur De Stijl-Ästhetik oder zu Frank Lloyd Wright, ohne dass die Peinlichkeit eines Plagiats entsteht. Er synthetisiert unterschiedliche Einflüsse – solche von historischen Vorbildern ebenso wie aus dem unmittelbaren Kontext, dem stadträumlichen Umfeld gewonnene – souverän zu einer höchst eigenständigen Architektursprache.

Selbst die vielgescholtene Spätmoderne der 60er und 70er Jahre goutiert Bonnen vorurteilsfrei. Es komme darauf an, ihre ästhetischen Qualitäten zu erkennen und in unsere Zeit zu transformieren. „Man musste dem Volumen nur ein bisschen von seiner Vehemenz nehmen“, sagt er etwa über eines seiner signifikantesten Werkbeispiele, den Umbau eines spätmodernen Bürohochhauses der Investitionsbank Berlin (IBB).

Unter den Vertretern einer „Zweiten Moderne“ gehört Bonnen eher zur rationalen Fraktion. Trotz ausgefeilter Farbkonzepte mangelt es seinen Bauten mitunter an Lebendigkeit, an von der Berechnung abweichender Spontaneität.

Dass der gekonnte Umgang mit der Ästhetik der Materialien sich gelegentlich in einem artifiziellen Oberflächenstyling erschöpft, muss man nicht unbedingt dem Architekten anlasten, sondern scheint einer heute gängigen Einstellung von Bauherren geschuldet, für die der erste äußerliche Eindruck alles ist.

Eberhard Syring