: Paris außer Rand und Band
Fast eineinhalb Millionen Franzosen demonstrieren gegen Le Pen. In Paris gehen 400.000 Menschen auf die Straße. Weniger Teilnehmer als erwartet bei Kundgebung der Front National
PARIS dpa ■ Fast anderthalb Millionen Menschen haben den 1. Mai in Frankreich zu einer beispiellosen Massendemonstration gegen den Rechtsextremen Jean-Marie Le Pen gemacht. Mehr als 400.000 Menschen gingen allein in Paris auf die Straße. Vier Tage vor der Stichwahl um das Präsidentenamt erreichte die friedliche Protestwelle gegen den rechtsradikalen Präsidentschaftskandidaten damit ihren absoluten Höhepunkt. Seit Jahrzehnten hatte es in Frankreich keine derart machtvolle Demonstration gegeben. „So viele Demonstranten hat noch kein Polizist am 1. Mai gesehen“, hieß es aus der Polizeidirektion. Klar verfehlte dagegen Le Pen sein Ziel, 100.000 Anhänger zu mobilisieren. Bei der ersten Runde war der 73-Jährige überraschend zusammen mit Amtsinhaber Jacques Chirac in die Stichwahl eingezogen. Seine Anhänger schwangen vor den Hunderten von Fotografen und Kameraleuten medienwirksam Tausende von Trikolore- Flaggen und riefen immer wieder „Le Pen président“.
Sämtliche Farben, fantasievolle Plakate, bunte Luftballons und heiße Rhythmen kennzeichneten dagegen den Demonstrationszug von Le Pens Gegnern in Paris. Unter dem Motto „Gemeinsam für sozialen Fortschritt – stoppt die extreme Rechte!“ zogen sie vom Place de la Republique zum Place de la Nation. Sie waren dem Aufruf von mehr als 70 Gewerkschaften, Menschenrechtsgruppen, Grünen, Friedensbewegungen und anderen Organisationen gefolgt. „Gegen Rassismus“ und „Erste, zweite, dritte Generation – wir sind alle Kinder von Immigranten“, verkündeten Kundgebungsteilnehmer auf Spruchbändern.
Auch in anderen Großstädten strömten mehr Teilnehmer denn je zu einer Kundgebung am 1. Mai, wobei fast überall der Protest gegen den Rechtsextremismus vor den sozialen Fragen und Forderungen stand. In Bordeaux waren es etwa 40.000, in Grenoble, Toulouse und Lyon mehr als 50.000 Menschen, die Front gegen Le Pen machten. In Paris gedachten Tausende von Menschen außerdem an der Carrousel-Brücke des am 1. Mai 1995 von Skinheads in der Seine ertränkten Marokkaners Brahim Bouraam. Die Skinheads waren damals von der Le-Pen-Kundgebung gekommen. Die Polizei hatte in Paris mit mehr als 3.500 Beamten vorgesorgt. Wegen befürchteter Krawalle wurden die Kundgebungen der Gegner und der Anhänger Le Pens zeitlich getrennt und die umliegenden Straßen abgesperrt.
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