: Schritt für Schritt
Schluss mit Drogen. Und dann? „Workstart“ hilft ehemals Drogenabhängigen zurück ins Arbeitsleben. Damit nach der Therapie etwas Neues kommt. Etwas, das stark macht.
von SANDRA WILSDORF
Fast sein halbes Leben hat er Drogen genommen: Heroin, Cannabis, Alkohol. „Ich habe mich 15 Jahre um nichts gekümmert, außer, wie ich an meine Drogen rankomme.“ Am Ende hat er nur noch vegetiert, „ein Jahr haben sie mir noch gegeben“, sagt er. Peter Przybisch hat eine Therapie gemacht, zehn Monate war er auf einem Hof in Niedersachsen, „als ich danach das erste Mal wieder auf dem Hamburger Hauptbahnhof war, habe ich nur Leute gesehen, die auf Droge waren.“
Er ist stark geblieben, „denn ich weiß jetzt: eine falsche Entscheidung, eine Sekunde, und alles, was ich mir erträume, geht den Bach runter.“ Darauf müsse er sich immer konzentrieren, dürfe nie schwach sein, „aber so ist das, wenn man clean leben will. Und ich will clean leben.“ Peter Przybisch sagt jetzt: „Ich liebe mich, ich bin glücklich.“ Und: „Ich weiß, dass ich etwas leisten, dass ich Teil dieser Gesellschaft sein kann.“ Sich zu lieben hat er in der Therapie gelernt, das Selbstbewusstsein bei „Workstart“.
Das Arbeitsprojekt der Therapiehilfe e.V. hilft ehemals drogenabhängigen Langzeitarbeitslosen zurück ins Arbeitsleben. Arbeit als Rückfallprophylaxe, Arbeit als Stabilisator und für die Bestätigung.
Peter Przybisch hat zunächst in einem Computerkurs seine Begeisterung für die Geräte entdeckt und anschließend ein dreimonatiges Praktikum beim Harburger Turnerbund gemacht. Erst in der Verwaltung und dann auf den Grünanlagen . „Ich musste mich nicht verstellen, mein Chef wusste Bescheid.“ Auf einmal war Peter Przybisch wieder in einem sozialem Umfeld, hatte Erfolge, erntete Anerkennung. Er hat gelernt, dass er den Anforderungen eines Arbeitsalltags genügt. Aber er hat auch herausgefunden, dass er eigentlich kein Büromensch ist, „ich fange jetzt bei einem Arbeitstrainingsprogramm in Elmshorn an, will mich ausprobieren und dann eine Umschulung machen.“ Irgendwas im Sozialen, das wäre sein Traum. Hätte es „Workstart“ nicht gegeben, „wäre ich jetzt wieder auf dem Hauptbahnhof“. Nur Abstand von der Droge reiche nicht, es müssten neue Inhalte her. „Ich habe meine Festplatte völlig neu programmiert.“
So ähnlich sieht das auch Petra. Sie war fünf Jahre spielsüchtig. Und hätte sie nach der Therapie nicht die drei Monate im Café Belvedere der Therapiehilfe gearbeitet und einen EDV-Kurs gemacht, „ich wäre wohl rückfällig geworden“. So aber hat sie sich ein soziales Netz geknüpft, der Musikkeller gehört dazu, „statt zocken ist jetzt Klavierspielen mein Ventil“. Das Reden mit Gleichgesinnten ist ihr wichtig, die Selbsthilfegruppe. Jetzt fühlt sie sich stabil und stark genug, es alleine zu versuchen. Mitte des Monats zieht sie aus der betreuten Wohngemeinschaft aus, „jetzt will ich keine tiefenpsychologischen Erklärungen mehr, da weiß ich sowieso schon lange alles, jetzt will ich es tun.“
Die Mitarbeiter des Projekts sind stolz: „Während des Praktikums haben wir von 100 Teilnehmerinnen maximal eine Handvoll Abbrüche“, sagt Arbeitsberaterin Shobana Gaebler. Sie betreut die Kunden, wie sie hier heißen. Sie erstellt mit ihnen individuelle Profile, findet Stärken und Schwächen heraus. Und sie sorgt auch dafür, dass die gerade noch Süchtigen sich nicht zu viel vornehmen, mahnt sie zu Geduld. „Ein Schritt zu weit, und dann ist alles für die Tonne“, sagt sie. Auch lange nach der Therapie ist jeder Tag noch ein Kampf.
„Früher habe ich hier in der Nähe in einem Park mal meine Drogen gekauft, das fällt mir natürlich ein, wenn ich jetzt daran vorbei gehe“, sagt Peter Przybisch. Er habe nichts vergessen, „aber ich sehe die Dinge jetzt aus einer anderen Perspektive.“
Weitere Infos zu den Workstart-Angeboten Arbeit, Fitness, Computer oder Selbsthilfe unter 040-29 80 120 oder unter www.therapiehilfe.de
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen