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Wiedersehen in Den Haag

Ibrahim Rugova, Führer der Kosovo-Albaner, im Kreuzverhör von Slobodan Milošević: Das Gericht bremst den Angeklagten

aus Den Haag HENK RAIJER

Slobodan Milošević würdigt den neuen Zeugen keines Blickes. Der frühere jugoslawische Präsident, der vor dem Internationalen Gerichtshof für Exjugoslawien wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Bosnien, Kroatien und dem Kosovo angeklagt ist, schaut gelangweilt an die Decke, als ginge es ihn nichts an, was Ibrahim Rugova gegen ihn vorzubringen hat. Das ist immerhin die ganze Palette der Repression, mit der die jugoslawische Führung die Provinz seit Beginn der Neunzigerjahre überzogen hat.

Der Präsident der Kosovo-Albaner, in dunkler Jacke und mit dem obligatorischen Seidenschal um den Hals, sagt am gestrigen Freitag in Den Haag aus, dass das Belgrader Regime systematisch versucht habe, das Streben der Kosovo-Albaner nach Unabhängigkeit im Keime zu ersticken, dass die serbischen Behörden nach und nach albanischsprachige Zeitungen, Rundfunk- und Fernsehanstalten sowie Schulen und Universitäten schlossen, dass serbische Polizisten, Soldaten und paramilitärische Gruppen immer wieder Kosovo-Albaner verhafteten, folterten und ermordeten.

Mehrmals sei er in den Jahren vor dem Kosovo-Krieg zu Gesprächen mit Milošević in Belgrad gewesen, erzählt der 58-jährige Gründer der Demokratischen Liga des Kosovo (LDK). Einer dieser Anlässe interessiert das Gericht unter Vorsitz des Briten Richard May besonders: der Besuch Rugovas beim jugoslawischen Staatschef am 1. April 1999, als die Nato bereits serbische Stellungen im Kosovo und Ziele in Serbien bombardierte, Rugova indes tagelang als tot oder verschollen galt.

Rugova schildert, wie Angehörige des serbischen Sicherheitsdienstes in den Tagen vorher sein Haus in Priština gestürmt und ihn und seine Familie als Geisel gehalten hätten, bis die Anweisung erfolgte, ihn zu Milošević zu bringen. Er sei aus Furcht vor Konsequenzen für sich und seine Familie der „Einladung“ des jetzigen Angeklagten gefolgt.

Etwa eine Stunde habe die Unterredung gedauert, während der Milošević ihn gebeten habe, eine Presseerklärung zu unterschreiben, in der sie gemeinsam die Nato auffordern, die Bombardements einzustellen. Das Treffen in Belgrad sei eindeutig inszeniert worden, um ihn, Rugova, in den Augen der Kosovo-Albaner und vor der Weltöffentlichkeit zu diskreditieren, erwidert der Zeuge auf die Frage des Anklägers, ob das Foto, das ihn und Milošević händeschüttelnd und gut gelaunt zeige, an besagtem Tage aufgenommen sei. Ganz genau will sich Rugova nicht festlegen: Das Bild, so sagt er, könne auch bei einem früheren Treffen mit Milošević im Mai 1998 aufgenommen worden sein. Bei einer späteren Begegnung im Mai habe Milošević ihm dann angeboten, das Land zu verlassen – ohne seine Familie. Nach einigem Hin und Her habe der Machthaber eingewilligt, ihn samt Familie nach Italien ausreisen zu lassen.

Dann hat der Angeklagte das Wort. Slobodan Milošević, der schon mehrere Zeugen in die Enge getrieben hat, greift an: „Waren Sie nicht im Grunde ein Spielball der internationalen Gemeinschaft“, fordert er den Zeugen heraus. Trotz wiederholter Ermahnungen des Gerichts, er möge sich bei seinem Kreuzverhör nur auf konkrete Ereignisse der Jahre 1998 und 99 beziehen, istellt Milošević mmer wieder Rugovas Position in Frage, die besagt, die Nato hätte mit ihren Luftanschlägen gegen Serbien alle in Kosovo lebenden Gruppen schützen wollen. „Ich soll Ihnen also glauben, wenn Sie behaupten, die Nato hätte auch die im Kosovo lebenden Serben, Türken und Roma schützen sollen?“ Die Nato habe tatsächlich „den Terrorismus im Innern, namentlich seitens der UÇK unterstützt“.

Immer wieder versucht der Expräsident, seinen früheren politischen Gegenspeiler zu demontieren, indem er ihn etwa in die Nähe der organisierten Kriminalität rückt, die „bekanntlich die UÇK (Kosovo-Befreiungsarmee – d. Red.) finanziert hat“. Das trägt Milošević erneut eine Rüge ein: „Verschwenden Sie nicht unsere Zeit.“ Richter May gab Milošević schließlich anderthalb Stunden Zeit zur Fortsetzung des Kreuzverhörs am Montagmorgen.

In Den Haag sind inzwischen weitere als Kriegsverbrecher angeklagte Serben eingetroffen. Einer von ihnen ist Milošević’ ehemaliger Stellvertreter Sainović. Von ihm und den anderen neuen Untersuchungshäftlingen aus Jugoslawien erwarten die Ankläger belastende Aussagen gegen ihren früheren Ministerpräsidenten.

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