: Schwarz-Schill tut weh
Bürgermeister von Beust verkündet Senatspläne zur Verwaltungsstruktur: Beamte müssen mehr arbeiten, zahlreiche Ämter werden abgeschafft, öffentliche Aufgaben wandern in private Verantwortung. Der Protest der Beschäftigten ist gewiss
von PETER AHRENS
„Eine Regierung ist dazu gewählt worden, ihre Ziele durchzusetzen“, sagt Bürgermeister Ole von Beust (CDU) vor der Presse und legt dann los, die „einschneidendste Veränderung in der Hamburger Verwaltung der vergangenen 20 Jahre“ zu verkünden. Ämter werden zusammen gelegt, geschlossen, Leitungsebenen abgeschafft oder hin und her verschoben. Öffentliche Aufgaben werden privatisiert, und – das ist das Kernstück der Senatspläne – die Arbeitszeit der Landesbeamten wird von 38,5 Stunden auf 40 erhöht. Der Senat will dadurch das strukturelle Haushaltsdefizit von jährlich 225 Millionen Euro herunterfahren.
Vor allem die Ankündigung, die Lehrerarbeitszeit um eine Pflichtstunde aufzustocken, hat jetzt bereits den Protest von Gewerkschaft und Personalräten heraufbeschworen. Den Bürgermeister lässt das kalt: „Jeder ist willkommen, dagegen zu demonstrieren.“ Von Beust nimmt die Proteste zur Kenntnis, mehr aber auch nicht: „Wir sind wild entschlossen, diese Maßnahmen durchzusetzen.“
In großer Besetzung mit drei Senatoren an seiner Seite war der Bürgermeister vor die Presse getreten, um die Resultate der Senatsklausur vom Wochenende in Jesteburg bekannt zu geben. Wobei Innensenator Ronald Schill ausnahmsweise einmal gelassener auf seinem Stuhl sitzen konnte als sein FDP-Kollege aus dem Bildungsressort Rudolf Lange. Dem dürften ungemütliche Wochen bevorstehen. Im März hatte er noch in einem Brief an die Hamburger Lehrer hoch und heilig versichert, ihre Arbeitszeit werde nicht erhöht. Gestern musste er angesichts der „dramatisch veränderten Situation der Haushaltslage“ den Kurswechsel verkünden: „Ich bin überzeugt, dass die Lehrer als verantwortliche Staatsbürger bereit sind, dieses Opfer zu tragen“, machte er in Zweckoptimismus. Und von Beust goss zusätzlich noch ein bisschen Öl ins Feuer: „Warum soll man Lehrern nicht zumuten können, was allen anderen Beamten aufgebürdet wird?“ (weiterer Bericht Seite 22).
Und aufgebürdet wird ihnen einiges: Zwei Finanzämter sollen geschlossen werden, die Oberfinanzdirektion wird aufgelöst, aus vier Polizeidirektionen werden zwei gemacht, aus zwei Feuerwehrdirektionen eine. Die Verantwortung für die soziale Stadtentwicklung übernehmen die Bezirke, in den Verwaltungsstäben der Behörden werden je fünf Prozent eingespart, der Landesbetrieb Verkehr – also der TÜV – wird privatisiert, der Landesbetrieb Erziehung und Bildung LEB völlig umstrukturiert. Das führt so weit, dass Behörden, die räumlich eng zusammenliegen, nur noch eine zentrale Poststelle und eine Telefonzentrale behalten sollen. Der Bürgermeister kündigte zudem an, neun Prozent der Flughafenanteile, die der Stadt gehören, zu verkaufen. Über einen Verkauf des Landesbetriebs Krankenhäuser oder der Hafen- und Lagerhausgesellschaft HHLA sei dagegen am Wochenende nicht gesprochen worden.
Betriebsbedingte Entlassungen schloss von Beust aus, trotzdem wird beim Personal künftig erheblich gespart, während Aufgaben zusammengelegt werden. Und das ist erst der erste Schritt. Finanzsenator Wolfgang Peiner (CDU) legt Wert auf die Feststellung, dass es sich bei diesen Beschlüssen „zwar um eine Weichenstellung, aber noch nicht um die Festlegung des Haushalts 2003“ handele. All die Kürzungen bei Sozial- und Beschäftigungsträgern kommen wohl noch dazu, wenn sich der Senat am 24. Juni zu seiner nächsten Geheimrunde trifft.
Der Bürgermeister bilanziert: „Es geht uns nicht darum, irgendjemandem weh zu tun.“
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