: Von wegen sockelbewährt
■ Sonntag wurde gefeiert: 30 Jahre Revolution der Galerie Grün
Irgendwie klebte ihr Herz an Bremen. An der Stadt, ausgerechnet, die für Künstler nicht allzu viel über hatte. Die sich vielleicht mit den Stadtmusikanten identifizierte, oder auch mit Kaffee Hag, so die gängige Klage. Aber mit Kunst?
Ausstellungsmöglichkeiten gab es hier praktisch keine. Aber weg wollten sie auch nicht, die KünstlerInnen, die Anfang der 70er ihr Diplom von der Staatlichen Kunstschule in Bremen überreicht bekamen und sich dann arbeits- und ausstellungslos melden mussten. „Wie kriegen wir das anders hin, ohne die Stadt zu verlassen?“, fragten sie – und gründeten sich ihren eigenen Ausstellungsort, die Galerie Grün.
30 Jahre ist das her. Damals war die Galerie noch eine der ersten Produzentengalerien in Deutschland. Eine „Selbsthilfegalerie“, in der „Kunst von Künstlern vorgestellt“ wird. Und kein Galerist der Welt „ihnen gegenüber Juror oder Zensor spielen“ konnte, von Qualität redete, aber Verkäuflichkeit meinte, heißt es im Rückblick.
Ein kleines bisschen Revolution im Kunstbetrieb war diese Galerie auch, die 1972 eröffnete. Also mitten im „Roten Jahrzehnt“, zwischen Beginn der Studentenbewegung und RAF. Als man in der Kunsthalle nur „Gerahmtes und Sockelbewährtes“ zu sehen bekam, aber keine politischen Frechheiten an die Wand malte. „Gruppe Grün“ nannte man sich, weil das damals eine noch nicht besetzte Farbe war.
Sonntagabend zur Geburtstagsparty der Galerie wurden die alten Probleme nur noch aus dem Katalog zitiert und mit viel Wein begossen. Denn auch die Gruppe Grün hat sich in diesen 30 Jahren etabliert. „Am Anfang hätten wir nicht im Sinn gehabt den Bürgermeister einzuladen“, gesteht Hermann Stuzmann. Sonntag dagegen war Henning Scherf willkommener Gast.
Und der war des Lobes voll für die Off-Kunst – auch wenn er selbst manchmal vor den Bildern der Galerie stehe und rätsele: „Was soll mir das sagen?“ Aber ohne Künstlergalerie und deren Fragen und dem eigenen Wundern wäre Bremen viel ärmer und viel blasser, gesteht auch einer wie Scherf. Nicht viel mehr als eine Kaufmannsstadt eben, hoffnungslos überschuldet und mit viel zu großer Arbeitslosigkeit. Mehr nicht.
So aber war der kleine Verein dem offiziellen Kunstbetrieb manchmal weit voraus. John Cage zeigte die Galerie Grün sieben Jahre vor der Kunsthalle. Flexibel ist der Verein vor allem, weil statt eines festen Programms, viel gestritten und lange diskutiert wird, bevor man sich schlussendlich auf sechs bis sieben Ausstellungen im Jahr einigt. Die dann gerne „von einem Extrem ins andere fallen und duldsame, zum Abenteuer bereite Besucher vorraussetzten“, wie Hajo Antpöhler im Katalog beschreibt.
Nach 30 Jahren ist die Gruppe Grün fast schon die einzige übrig gebliebene Produzentengalerie aus der Gründerzeit. Viele der Kunstvereine sind mittlerweile ausgestorben. „Der Konkurrenzdruck ist größer geworden. Das Miteinander unter den Künstlern immer geringer“, klagt Stuzmann, der seit 1975 bei der Truppe ist. Was immer fehlt, ist Geld. Und was immer öfter fehlt, sind mitmachende Künstler. Acht sind es inzwischen nur noch, sechs Männer, zwei Frauen, Durchschnittsalter um die 50. „Es gibt zwar immer neue Leute, doch die meisten gehen wieder, wenn sie ihre Ausstellung abgearbeitet haben.“ Nichts Dauerhaftes. Schon gar nichts Junges. „Entweder wir verjüngen uns, oder wir sterben aus“, so die nüchterne Devise.
Eine Verjüngungskur indes fällt dem harten alten Kern nicht leicht: Die heutigen Hochschulabsolventen, die junge Generation, „die könnten fast unsere Kinder sein“, sagt Stuzmann. Aber ohne sie auch kein 50. Geburtstag.
Dorothee Krumpipe
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