: berliner szenen Unterirdisch
Bitte nicht ablecken
B. ist Mitglied im Verein „Berliner Unterwelten“, der Gesellschaft zur Erforschung unterirdischer Bauten. Sie ist eine große Frau mittleren Alters. Ihr Mund ist nur ein Strich. Weil das Leben kein leichtes ist in dieser besonderen Sphäre der Stadt.
Samstagnachmittags führt B. Besuchergruppen durch die Bunkeranlagen im U-Bahnhof Gesundbrunnen. Einer breiten Öffentlichkeit ihre Kenntnisse für die geschichtsträchtigen Örtlichkeiten unterhalb der Erdoberfläche zu vermitteln, ist ihr Motivation und Leidenschaft zugleich. B. sperrt metallene Türen auf, erklärt die Lüftungsvorrichtungen, weist durch enge Räume, erzählt vom Krieg. Und dass man in einem Bunker keinen Selbstmord begehen kann. Angesichts all des Schrecklichen, das in diesen Wänden wohnt, fällt es schwer, Humor zu bewahren, weiß B. Wenn sie einen Witz macht, sagt sie deswegen vorher mutig Bescheid. Die radioaktive Farbe, die in einem Raum auf den Wänden liegt, solle man nicht ablecken, meint B. zum Beispiel. Mit großen Schritten läuft sie ihren Besuchern voraus.
B. liebt die Tiefgeschosse dieser Anlage. Sie hat viel Freizeit in ihr Hobby investiert, hat bei der Freilegung mehrere Tonnen Staub und Schutt aus dem Bunker am U-Bahnhof Gesundbrunnen geschippt. Manchmal geht B. auch tauchen. In der Schlacke unter dem Tacheles hat sie ein kaputtes Telefon gefunden. Derzeit gräbt B. an der weitläufigen Bunkeranlage von Hitlers Ostwall in Polen. „Mit so nem Diamantbohrer jeht dit wie Butter.“ Manche Besucher bleiben nach der Führung ein bisschen ratlos zurück. Für ein gutes Erlebnis hätte B. auch einfach das Licht ausmachen können, sagen sie. Man wäre dann nur durchgerannt und hätte Angst gehabt vor ihr. KIRSTEN KÜPPERS
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen