strafplanet erde: irreale zufallspotenziale von DIETRICH ZUR NEDDEN
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Ob der Zufall schon einmal Chlodwig Poth, Wolfgang Pohrt und Gerhard Polt zusammengeführt hat? Wenn nicht, dann sei diese Konstellation bitte als Geburtstagsgruß an den Dritten im Bunde verstanden und zweitens immerhin möglich. Womit wir beim Konjunktivus Potentialis wären.

Wenn es nämlich den Konjunktiv nicht gäbe, hätte ihn spätestens jetzt die Werbeagentur des Pharmakonzerns Pfister erfinden müssen. Für eine sehr spezielle, früher hätte man gesagt: delikate Kampagne, hat man Pelé, den Fußballgott brasilianischer Provenienz, auserkoren und zweifellos mit Geld zum Mitmachen gezwungen. Pfister fabriziert Viagra, jenes Steh-auf-um-einzudringen-Präparat, das seit vier Jahren Glück, Glut und Glanz in endlich wieder zerwühlte Betten zurückbringt. Statt für die blaue Raute direkt und pfeilgrad zu werben, hat die Firma die Initiative „Der gesunde Mann“ ins eigentlich echt pralle, manchmal allerdings von Erektionsstörungen getrübte Leben gerufen. Im Kampf gegen die Ebbe in der Hose philosophiert nun also Pelé in einer Flutlichtarena: „Sprechen Sie mit Ihrem Arzt. Ich würde es auch tun.“

Wenn es eines Beweises bedurft hätte für die unter den realistischsten Gesichtspunkten absoluteste Notwendigkeit von Konjunktiv-Formen, ob nun Potentialis oder Irrealis, dann wäre er mit diesem Spot erbracht, auch wenn man einwenden mag, dass Franz Beckenbauer in der Hauptrolle noch um eine Spur homogener, ja überzeugender gewesen wäre. Aber über eines sollten der Fernsehsender wie die Werbeagentur nochmals nachdenken: Der Spot lief während einer Fußballübertragung. Würde er Folgen, sprich Erfolg haben, wäre ein reziprokes Nullwachstum, sogar eine Talfahrt bei den Einschaltquoten vorprogrammiert, da die Männer nicht mehr dauernd Fußball schauen müssten.

An dieser Stelle könnte man einen Bartleby-String einflechten, der Pelés „Ich würde es auch tun“ mit Bartlebys „Ich würde vorziehen, es nicht zu tun“ diskutiert. Tun wir nicht, sondern bleiben beim Fußball. Wie spätestens seit Eckhard Henscheids „Mein Lesebuch“ bekannt sein dürfte, war der russisch-amerikanische Dichter Vladimir Nabokov in jungen Jahren Fußballtorwart. In seinem Buch „Sprich, Erinnerung“, einer Art Autobiografie, erzählt er knapp und bezaubernd ein paar Szenen auf den Sportplätzen von Cambridge.

Wie von ungefähr kam mir neulich nun der aktuelle Bericht von einem Play-Off-Spiel der National Hockey League auf den Monitor: Phoenix Coyotes gegen die San Jose Sharks. Deren Torhüter Evgeni Nabokov habe sich „zum großen Rückhalt der Gäste“ entwickelt. „Insgesamt wehrte Nabokov 35 Schüsse ab.“ Bravo dem Keeper der Haie, dessen Namensvetter etliche Jahrzehnte vorher von einem Mann berichtete, der einmal „einen diamantenen Manschettenknopf im großen blauen Meer“ verlor „und zwanzig Jahre später an genau dem gleichen Tag, einem Freitag wahrscheinlich, einen großen Fisch aß: – aber es war kein Diamant darin. Das ist es, was ich an Zufällen liebe.“