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Westerwelle will auch nach Erfurt Punkte sammeln

Nach dem Amok gilt es, von Werten zu sprechen, weiß der Chef der Besserverdiener. Gespielte Harmonie um das „Nach Pisa“-Buch der Dresdner Bank

BERLIN taz ■ Es war die Stunde der gespielten Harmonie. In der Dresdner Bank am Pariser Platz hatte sich eine Koalition der Bildungsreformer versammelt. Der Vorstandschef der Dresdner, Bernd Fahrholz, warb mit einem schwarzen und einem roten Ministerpräsidenten für eine energische Bildungsreform „nach dem Pisa-Schock“. Schon waren sich alle irgendwie einig, dass Schule Leistung und Mitgefühl vermitteln müsse. Wie das zu erreichen wäre, blieb unklar.

Klar war nur, dass es sich um eine geschickte PR-Aktion der Wirtschaft handelte. Deren Ziel ist es, die Schulen zu beschleunigen und stärker auf Leistung zu trimmen. Nur wollte man das nicht selber sagen, sondern ließ es sagen – in einem Büchlein namens „Nach dem Pisa-Schock“. Politiker aller Couleur dürfen in kurzen Aufsätzen darlegen, wie wichtig wirtschaftliches Denken in den Schulen sei. Der Banker Fahrholz behielt sich vor, die Bedeutung der Werte zu betonen. Und zu fordern: Analysen der Schule gibt es genug. Jetzt muss gehandelt werden! Bloß wie?

Guido Westerwelle, der sich gern als Vizekanzler für Bildung sieht, zeigte, wie wichtig ihm das Thema ist – um Punkte beim Publikum machen. Er heimste mit seinem Vorschlag, die doofe Kultusministerkonferenz abzuschaffen, natürlich sofort Applaus ein. Da war es von Vorteil, dass ihn Niedersachsens Ministerpräsident Sigmar Gabriel (SPD) darum bat, er möge doch bitte die Kulturhoheit der Länder gleich mit abschaffen. „Ansonsten garantiere ich ihnen, dass wir einen Tag später eine neue KMK errichten – weil es sonst keine Vergleichbarkeit der Bildungsabschlüsse mehr gibt.“ Dabei blieb Gabriel bewundernswert höflich.

Westerwelle hatte ihm schon zu Beginn eine üble Unterstellung gemacht – formvollendet lächelnd. Westerwelle wunderte sich über eine der „Mehr Leistung in die Schule“-Passagen von Gabriel – weil doch alle über Werte und Tugenden sprächen „in diesen Tagen“. Er meinte damit „nach Erfurt“. Eine perfide Idee. Denn Westerwelle wusste, dass Erfurt zwischen Gabriels Manuskript und dem Druck des Buches lag.

Doch auch hier lief der FDPler in Gabriels Parade. Der jungsche FDPler, der spät aufs Gymnasium wechselte, lobte die Disziplin und Pünktlichkeit, die er zuvor auf der Realschule erlebte. Da erzählte Gabriel mit seiner Geschichte mehr. Er sei in der fünften Klasse beinahe auf der Sonderschule gelandet – wegen der Scheidungsstreitereien seiner Eltern. Später sei Gabriel dann ebenfalls aufs Gymnasium gewechselt. Also, so Gabriel, „Vorsicht mit schnellen Urteilen über Schülerkarrieren.“ CIF

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