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Die Briten kommen

Britische Lebensversicherungen können ihr Kapital vollständig in Aktien anlegen. Die Chance, infolge der britischen Anlagefreiheit eine lukrative Rente von 10 Prozent zu erzielen, gibt es nicht ohne Risiko

In Großbritannien hat die Aktienkultur eine lange Tradition bis in die Kolonialzeit

Geht es um die private Altersvorsorge, nutzen die meisten Deutschen am liebsten die Lebensversicherung. Das wissen auch die Briten: Mit attraktiven Renditen und interessanten Produkten locken die Lebensversicherer von der Insel seit einiger Zeit deutsche Kunden an. Durchschnittlich 10 bis 13 Prozent Rendite erwirtschafteten einige Unternehmen im letzten Jahrzehnt für ihre Versicherten. Während deutsche Gesellschaften einen Garantiezins von 3,25 Prozent plus Überschussbeteiligung anbieten, können die Briten mit wesentlich höheren Erträgen werben. Denn das britische Versicherungswesen erlaubt den Gesellschaften bis zu 100 Prozent des Kapitals in Aktien zu investieren. Üblich sind 70 bis 80 Prozent, die konservativ in Blue Chips angelegt werden. Deutsche Versicherer dürfen dagegen nur 30 Prozent in Aktien anlegen. Viele lassen sogar nur zehn Prozent des Kapitals auf dem Parkett arbeiten.

In Großbritannien hat die Aktienkultur eine lange Tradition und lässt sich bis in die Kolonialzeit zurückverfolgen. Als um 1850 die ersten privaten Altersvorsorgeprodukte auf den Markt kamen, konnten die Lebensversicherer es mit der Konkurrenz aufnehmen, indem sie auf Aktien setzten. Seit 1994 verkaufen die Briten ihre Policen auch auf dem deutschen Markt. Die Liberalisierung des Versicherungsmarktes in Europa eröffnete den Unternehmen die Möglichkeit, in jedem EU-Staat ihre Policen feilzubieten. Steuerlich sind die Policen den deutschen gleichgestellt.

Während Standard Life eine eigene Niederlassung in Deutschland aufgebaut hat, sind eine Reihe Unternehmen wie Clerical Medical, Scottish Amicable Life, Scottish Mutual und andere über deutsche Vertriebspartner aktiv. Inzwischen sind beim Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (BAV) rund 15 britische Lebensversicherer gemeldet, die in Deutschland arbeiten oder arbeiten wollen. Aufgrund unterschiedlicher steuerlicher und aufsichtsrechtlicher Vorgaben sind die deutschen und britischen Angebote jedoch kaum vergleichbar. Wer eine britische Lebensversicherung mit Überschussbeteiligung abschließt, bekommt eine garantierte Jahresdividende, die immer ein Jahr im Voraus festgelegt wird.

Da Sicherheiten zu Lasten der Performance gehen, werden die Garantien so weit wie möglich heruntergefahren. Den Gewinn bringt der Fälligkeitsbonus, der im Todesfall oder bei Laufzeitende ausgezahlt wird. An den erzielten Kapitalmarkterlösen wird der Kunde jährlich beteiligt. Den gutgeschriebenen Bonus bekommt aber nur ausgezahlt, wer die Vertragslaufzeit einhält. Wer vorzeitig kündigt, setzt die Zusicherung aufs Spiel.

Gehen die Kurse in den Keller, sorgt das so genannte Smoothing dafür, dass die Erträge geglättet werden. Die Versicherer bilden – anders als in Deutschland – keine stillen Reserven. Stattdessen werden in guten Börsenjahren Schwankungsrücklagen gebildet. Sobald diese für die Einhaltung von Garantien nicht mehr notwendig sind, können sie aufgelöst werden. Die Verluste aus mageren Börsenjahren können damit ausgeglichen werden.

Teilweise sind die in Deutschland angebotenen Produkte den hiesigen Verhältnissen angepasst. Standard Life bietet sogar eine Verzinsung auf den Sparanteil an, andere sagen eine Null-Prozent-Garantie zu. Das schützt den Kunden zumindest vor einem Verlust seiner eingezahlten Beiträge. Interessant ist auch eine Variante der privaten Rentenversicherung, deren Höhe lebenslang bis auf den letzten Pfennig garantiert ist. Wer lange lebt, kann damit eine gute Rendite erzielen. Stirbt der Versicherte indes nach der Garantiezeit von in der Regel fünf Jahren, gehen die Erben leer aus.

Doch die Chance, infolge der britischen Anlagefreiheit eine lukrative Rente zu erzielen, gibt es nicht ohne Risiko. Der Abwärtstrend an den Weltbörsen zieht die britischen Versorgungswerke mit nach unten. Besonders hart trifft es jene Briten, die kurz vor dem Ruhestand stehen. Sie erleiden die prozentualen Verluste des über Jahre hinweg gesparten Anlagekapitals und müssen nun mit niedrigerer Rente rechnen.

Wie schnell sich Garantien in Luft auflösen, erleben gerade die Versicherten des renommierten britischen Lebensversicherers Equitable Life. In den 70er- und 80er-Jahren verkaufte das Unternehmen Rentenversicherungen mit Garantiezins, konnte die Verträge aber aufgrund der gesunkenen Kapitalmarktzinsen nicht mehr bedienen. Im Dezember 2000 stellte der Versicherer das Neukundengeschäft ein und verkaufte wesentliche Unternehmensbereiche an den Finanzdienstleister Halifax Group plc.

Die Auseinandersetzung um die garantierten Renten ist noch nicht abgeschlossen. Die Versicherten müssen sich darauf einstellen, nur einen Teil der erwarteten Pension ausgezahlt zu bekommen. SIMONE WEIDNER

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