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Ernüchterung nach vier Jahren Rot-Grün

Von Abschiebung bis Flughafenverfahren: Menschenrechtler ziehen kritische Bilanz. Kaum Hoffnung auf Besserung

BERLIN taz ■ Mahnen gehört zum Job von Menschenrechtlern. Jubel war deshalb auch nach vier Jahren Rot-Grün nicht zu erwarten. Doch was das „Forum Menschenrechte“ gestern vorlegte, war keine Mäkelei, sondern eine Bilanz, die vor allem den Grünen in den Ohren klingen muss.

Das Bündnis von über 40 Nichtregierungsorganisationen, zu dem auch die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung und der Deutsche Gewerkschaftsbund gehören, erinnerte daran, dass viele Ankündigungen der rot-grünen Koalition von 1998 nicht eingehalten wurden, etwa bei der Dauer der Abschiebehaft und den Flughafenverfahren für Asylbewerber. „In dieser Hinsicht ist nichts geschehen“, kritisierte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. Als Leistung der Grünen fiel ihm auf Anhieb nur der Einsatz für den Schutz vor nichtstaatlicher Verfolgung und die Härtefallregelung im Zuwanderungsgesetz ein. Andere Teile des Gesetzes seien aber „nach wie vor vom Gedanken der Fremdenabwehr durchdrungen“.

Auch Amnesty-international-Generalsekretärin Barbara Lochbihler bilanzierte, Rot-Grün sei „hinter den Erwartungen zurückgeblieben“. Sie lobte zwar, dass einige KoalitionspolitikerInnen zugänglicher für Menschenrechtsfragen seien als ihre VorgängerInnen. Lochbihler begrüßte auch, dass es seit 1998 Menschenrechtsbeauftragte und einen Menschenrechtsausschuss im Bundestag gibt. „Wir bedauern allerdings den begrenzten Einfluss auf das Handeln der Bundesregierung.“

Beate Ziegler von der Vereinigung medica mondiale sagte, der 1998 vorgelegte Aktionsplan der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen habe „zu keinen spürbaren Verbesserungen“ geführt. Genitalverstümmelung werde zwar „immer mehr zum Thema“, stellte Ziegler fest, „reicht aber in Deutschland immer noch nicht aus, um Asyl zu erhalten“.

Große Hoffnung auf Fortschritte in der nächsten Legislaturperiode verbreitete das „Forum Menschenrechte“ nicht, zumal auch von den anderen Parteien wenig Erfreuliches zu berichten sei. „Wir hätten uns auch von der Oppostion mehr Initiative gewünscht“, sagte Lochbihler in Richtung PDS. Und Burkhardt registrierte, „dass auch bei der FDP Forderungen zurückgenommen werden“. So tauche die früher angestrebte „Amnestie für Illegale“ im FDP-Wahlprogramm nicht mehr auf. LUKAS WALLRAFF

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