„So tun, als wäre nichts passiert“

Durch den Zusammenbruch der Kirch-Gruppe, Einzahler in die verschiedenen Filmförderungstöpfe und den Filmfernsehfonds Bayern, wird der ganze Film- und Fernsehmarkt einer vollständigen Neubewertung unterworfen. Es wird weniger gezahlt werden als bisher. Ein Gespräch mit Nico Hofmann

Interview THOMAS WINKLER

taz: Herr Hofmann, in der Selbstdarstellung Ihrer Produktionsfirma teamWorx heißt es: „Als unser Kerngeschäft wollen wir den deutschen Fernsehmarkt als Basis unseres Erfolges gewinnen“, um damit „starke Aktivitäten im Bereich des deutschen, internationalen oder europäischen Kinofilms zu erzielen“. Bricht mit der Kirch-Pleite die Basis für den deutschen Film weg?

Nico Hofmann: Wir haben 80 Prozent unserer Filme bei Kirch Media im Weltvertrieb. Wir sind also sehr direkt betroffen von der Insolvenz, es stehen Zahlungen aus und wir sind hier wohl nicht die einzigen Gläubiger. Es gibt sehr viele deutsche Produktionsfirmen, die ihre Weltvertriebsarbeit mit Kirch gemacht haben. Da ist der Einfluss der Insolvenz gewaltig, weil Gelder momentan nicht fließen und große Entscheidungen erst wieder getroffen werden können, wenn die neuen Geschäftsmodelle bei KirchMedia geklärt sind. Das betrifft vor allem teure Fernsehspielprojekte. Zudem fällt die Pleite von Kirch in eine Phase, in der der Werbemarkt ohnehin rückläufig war, auch bei der RTL-Gruppe ist seit vier, fünf Monaten der Sparzwang spürbar. Man merkt überall, dass Entscheidungen viel schwieriger geworden sind. Ich komme gerade aus einer Verkaufsverhandlung bei Constantin für ein Kinoprojekt. Die Constantin gehört teilweise KirchMedia, verhandelt selbst hauptsächlich wiederum mit Pro 7 und Sat.1 und wir kommen einfach nicht in der gewünschten Geschwindigkeit zu einem Resultat, weil niemand klipp und klar Entscheidungen treffen kann.

Es sind also nicht nur mittelbar auch Kinoproduktionen betroffen?

Selbstverständlich. Es sind ja auch die Fördertöpfe betroffen, denn KirchMedia war ja auch Einzahler und direkt beteiligt am Filmfernsehfonds Bayern. Zudem macht bei jedem Kinofilm die Fernsehlizenz einen großen Anteil der Gesamtfinanzierung aus, bis zu 50 Prozent. Viele Kinoprojekte waren bei Sat.1 und Pro 7 untergebracht, und jetzt bekommt man einfach nicht mehr so schnell grünes Licht für den Drehbeginn. Tatsächlich ist der ganze Markt von dieser Situation betroffen.

Könnte man heutzutage hierzulande ohne Fernsehgelder theoretisch noch einen Kinofilm finanzieren?

Nein, das können Sie nicht. Der Anteil der TV-Lizenzen an einem Budget liegt oftmals bei über 30 Prozent.

Betrifft die Pleite eigentlich Großproduzenten wie Eichinger und kleine unabhängige Produzenten in gleichem Ausmaß?

Betroffen sind alle. Aber es gibt verschiedene Modelle, damit umzugehen. Eine Firma wie unsere, die ja zu 76 Prozent Bertelsmann gehört, kann natürlich manches erst mal auffangen. Aber kleinere Produzenten, die finanziell unabhängig sind und keinen Partner im Rückgrat haben, sind wesentlich stärker betroffen. Insgesamt glaube ich, dass der gesamte Markt in einer Umbruchphase steckt. Die wichtige Botschaft lautet: Die Kirch-Insolvenz ist nur ein Puzzleteil einer für die Produzenten hochgradig schwierigen Finanzlage. Durch die Konjunkturschwäche und das mangelnde Werbeumfeld bei den Sendern wird so gespart, dass alle teuren Projekte auf der Kippe stehen.

Gibt es bei Ihnen konkret bedrohte Projekte?

Wie die ganze Branche versuchen wir momentan mit sehr viel Vertrauensvorschuss einfach so zu tun, als wäre gar nichts passiert. Ich versuche nach wie vor mit KirchMedia im Geschäft zu bleiben, weil man mit den Menschen dort freundschaftlich verbunden ist und weil die KirchMedia bis zur Insolvenz gerade im Weltvertrieb hervorragend funktioniert hat. Wir warten ab, aber wenn wir spüren sollten, dass KirchMedia bereits bestehende Forderungen nicht mehr bezahlt, dann ist dies natürlich auf die Dauer nicht akzeptierbar.

Wäre die Kirch-Pleite und eine mögliche Zersplitterung des Imperiums womöglich die Chance für einen Neuanfang?

Die Kirch-Insolvenz wird zur Folge haben, dass das ganze Kerngeschäft mit TV-Lizenzen und damit der ganze Markt einer völligen Neubewertung unterworfen wird. Wie viel Geld wird künftig gezahlt für die Ausstrahlung von Kinofilmen und hochwertigen Fernsehspielproduktionen? Das könnte ein reinigendes Gewitter für die ganze Branche sein. Man darf ja nicht vergessen, dass Kirch an seine eigenen Sender zu selbst festgesetzten Preisen verkaufen konnte. Dieses Schneeballsystem nach eigenem Belieben funktioniert zukünftig nicht mehr und die TV-Sender werden sehr viel nüchterner und maßvoller Lizenzen bezahlen. Es wird garantiert weniger gezahlt werden als in der Vergangenheit.

Wären mehrere Pay-TV-Sender wünschenswert für den deutschen Film?

Ich würde so etwas begrüßen, weil es natürlich die Produzenten stützen würde. Je mehr Auftraggeber, desto besser kann man Filme herstellen. Schauen Sie nach Frankreich, welche extrem wichtige Rolle Canal plus dort in der Kinoproduktion spielt. Da gucken deutsche Produzenten sehr neidvoll nach Paris. Bei uns gibt es allerdings schon ein halbes Dutzend Kanäle, die regelmäßig hochklassige Hollywood-Ware im Free-TV abspielen. Da fehlt dann natürlich das Bedürfnis nach drei oder vier zusätzlichen Pay-TV-Kanälen. Bei uns hat ja nicht einmal Premiere richtig funktioniert.