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Bundesweite Pisa-Demo in Berlin

Fünf Monate nach den verheerenden Pisa-Ergebnissen muss gehandelt werden, fordern die Bundessprecher von Eltern, Lehrern und Schülern. Kritik an Schulministern: „Wir haben es satt, dass bislang nichts geschehen ist“

Neues Schulbündnis: „Die deutsche Schule fördert zu wenig und sortiert zu viel“

BERLIN taz ■ Die gesellschaftlichen Vertreter von Eltern, Lehrern und Schülern haben die Nase voll von der Untätigkeit der Kultusministerkonferenz. „Wir haben es satt, dass sich seit der Veröffentlichung der Pisa-Studie nichts getan hat“, beschwerte sich Bundeselternsprecherin Barbara Hendricks. Zusammen mit Bundesschülersprecher Sebastian Schlüsselburg und der Vorsitzenden der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Eva-Maria Stange, rief Hendricks gestern zu einer bundesweiten Kundgebung auf, die am 12. Juni in Berlin stattfinden soll. Thema des Protests: „Rettet die Bildung!“

Die AufruferInnen verteidigten ihre späte Intervention – immerhin sind fünf Monate ins Land gegangen, seitdem die OECD ein Viertel der deutschen Schüler in die Nähe des Analphabetentums gerückt hat und das Land der „Dichter und Denker“ bei der Lesefähigkeit auf Platz 20 von 32 getesteten Staaten setzte. „Wir hatten lange die Hoffnung, mit den Kultusministern direkt ins Gespräch zu kommen“, sagte GEW-Chefin Stange.

Ein Gesprächsangebot sei aber vom Präsidium der Kultusministerkonferenz (KMK) ignoriert worden – zunächst unter Führung von Annette Schavan (CDU), dann von Dagmar Schipanski (CDU). Stange sagte, „wir wollen, dass jetzt gehandelt wird. Die Kultusminister starren aber nur auf den 30. Juni – um mit den Schulen Wahlkampf zu machen“. Ende Juni will die KMK die Folgestudie zu Pisa, den Ländervergleich namens Pisa-E veröffentlichen.

Eva-Maria Stange sagte, Pisa habe gezeigt, „dass wir Riesenprobleme mit unserem Bildungssystem haben.“ Problematisch sei etwa, dass das gesamte Leistungsniveau deutscher Schüler bei den Grundkompetenzen Lesen, Rechnen und Wissenschaftsverständnis erschreckend niedrig sei. Zudem sei in Deutschland eine soziale Spaltung zu beobachten, die größer ist als in jedem anderen von der OECD evaluierten Land. „Ohne Eltern, Schüler und Lehrer wird es aber keine grundlegende Reform geben – da können Wirtschaft und Politiker noch so viele nette Vorschläge unterbreiten.“

Als Kernproblem sehen GEW, Eltern- und Schülersprecher, „dass unser heutiges Schulsystem eher auf Auslese zielt und nicht auf die optimale Förderung der Schüler“. Es sei wichtig, die Lernenden wirklich in den Mittelpunkt der Bildungsbemühungen zu stellen. Im Aufruf der drei Organisationen heißt es: „Das Bildungssystem hat sich an den Menschen, nicht die Menschen am System zu orientieren.“

Die konkreten Forderungen von Stange, Schlüsselburg und Hendricks lauten: „Einführung eines frühkindlichen Bildungssystems“ – das bedeutet Bildungsauftrag für die Kindergärten. In der Grundschule müssten die Grundlagen im Lesen, Schreiben und Rechnen besser gelegt werden – das heißt besserer Unterricht und mehr Geld für die Grundschulen, die Deutschland im internationalen Vergleich stiefmütterlich behandelt. „Lernen braucht Zeit“ – dahinter versteckt sich die Einführung einer flächendeckenden und pädagogisch anspruchsvollen Ganztagsschule. „Mehr Chancengleichheit bringt mehr Qualität“ – damit kritisieren die Aufrufer, dass „in Deutschland zu früh sortiert und zu wenig gefördert wird.“ Zudem müssten die Bundesländer aufhören, ihre Etats für Schule und Bildung beständig zurückzufahren.

Die GEW bezieht auch den Amoklauf eines Schülers in Erfurt in ihre Überlegungen mit ein. Neben anderen Motiven für den Täter seien, so Stange, „auch Ursachen im Schulsystem zu finden“. Die GEW-Vorsitzende übte daher vorsichtige Kritik am Umgang mit dem späteren Täter, der ohne Abschluss vom Gutenberg-Gymnasium verwiesen worden sei. Stange sagte, das Thüringer Schulrecht sei bei dem Schulverweis möglicherweise nicht beachtet worden.

Die Beauftragte der Bundes-GEW für Schulen, Marianne Demmer, sagte, der Umgang mit Schülern in Thüringen sei nicht anders als der in deutschen Schulen ganz allgemein. „Das System betreibt in erster Linie nicht Förderung von Schülern, sondern es hat zu stark Sortier- und Auslesevorgänge zum Ziel.“

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