Europäischer Nationalismus

Schröder zur Globalisierung: „Europäischer Stolz“ gegen die ökonomische Unsicherheit

BERLIN taz ■ Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) betrachtet den europäischen Wohlfahrtsstaat als Alternative zur Globalisierung. Während der sechsten Internationalen Wirtschaftstagung der SPD gestern im Berliner Technikmuseum versuchte Schröder, eine positive Vision von Europa zu formulieren, um den Globalisierungsgegnern rechter Provenienz den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Innerhalb der Europäischen Union will Schröder die „nationale Identität“ einzelner Staaten „nicht nur erhalten, sondern stärken“. Er unterstützte damit die Strategie des anwesenden designierten ungarischen Ministerpräsidenten, des Sozialdemokraten Peter Medgyessi, der unlängst gegen die Rechte gewonnen hatte: Wenn schon Europa, dann als Ausweitung des nationalen Modells in eine transnationale Dimension. Schröder schwebt vor, dass die Menschen einen „europäischen Stolz auf ihre Leistungsfähigkeit“ empfinden. Solcherart ausgerüstet, werden sie, so die Hoffnung, rechten Verführern widerstehen.

Die Auseinandersetzung mit der Globalisierung ist innerhalb der deutschen Politelite zurzeit en vogue. Dabei hat sich der Fokus verschoben: Nicht mehr die linken Kritiker des Neoliberalismus gelten als Hauptgegner, sondern die modernen Rechten à la Pim Fortyun und Jean-Marie Le Pen, die, so Schröders Diagnose, „das Gefühl der Heimat- und Ratlosigkeit“ vieler Menschen ausnutzten. Während Bundespräsident Johannes Rau in seiner Berliner Rede zur Globalisierung vom Montag eine neue Politik globaler Gerechtigkeit angemahnt hatte, scheint Schröder sie im Modell eines exklusiven Europas, das seinen Bürgern – aber auch nur diesen – Schutz bietet, schon gefunden zu haben. Den neoliberal-patriarchalen Rezepten der neuen Rechten setzte Schröder die Teilhabe der „breiten Masse an Wohlstand und Willensbildung“ entgegen. In die deutsche Politik übersetzt bedeutet das für den Kanzler, dass „jeder die medizinisch notwendigen Leistungen bekommen wird“ – unabhängig vom jeweiligen Einkommen. Nur Extradienste sollten im Rahmen der anstehenden Gesundheitsreform 2003 privatisiert werden. Der Angst vor der neoliberalen Politik, die er oft genug selbst praktiziert, versuchte der Kanzler auch auf einem anderen Feld entgegenzutreten: Zu einer Aufweichung des Kündigungsschutzes werde es unter seiner Regierungsverantwortung nicht kommen. HANNES KOCH