: Zurück in die Sechziger
Wissenschaftssenator Jörg Dräger will ASten das politische Mandat nehmen. Uni-Präsident Lüthje bedankt sich auf Vollversammlung für die öffentliche LOI-Debatte
Der Entwurf für ein neues Hochschulgesetz erregt zunehmend die Gemüter an den Hochschulen. „Mich macht das unendlich böse“, sagte Wolf Andre-Deitert vom Personalrat der Uni gestern vor rund 800 Studierenden im Audimax. „Der Entwurf macht die Uni kaputt, für die wir vor 35 Jahren gekämpft haben.“ Wissenschaftssenator Jörg Dräger greife für sein Gesetz „tief in die Reliktkiste“, kritisierte auch Golnar Sepehrnia von den Jusos.
So will Dräger das gerade erst von Vorgängerin Krista Sager (GAL) erweiterte Recht des AStA, sich zu politischen Themen zu äußern, wieder abschaffen. Darüberhinaus droht Studierenden, die der Uni durch „schweres schuldhaftes Fehlverhalten“ einen „erheblichen Schaden“ zufügen, der Rauswurf. Sepehrnia: „Das erinnert an die 60er Jahre, wo politisch unliebsame Studenten reihenweise relegiert wurden.“ Berühmtestes Beispiel sei der heutige Staatsrat Gerd-Hinnerk Behler, der einst mit dem Transparent „Unter den Talaren, der Muff von 1000 Jahren“ Geschichte machte. Die Studentin schreckte auch vor einem herberen historischen Vergleich nicht zurück. Dräger wolle die Hochschulen zu Unternehmen machen, kritisierte sie. Der Präsident werde dabei zu einer „Führerperson, wie es sie an den Hochschulen nur zwischen 1933 und 1945 gegeben hat“.
Uni-Präsident Jürgen Lüthje ging auf diese Provokation nicht ein, äußerte sich aber noch einmal ausführlich zum „Letter of Intent“, der nunmehr vorsieht, dass die Hochschulen für drei Jahre vom Sparen verschont werden und demnächst im Rathaus unterschrieben wird. Die Idee für dieses Vorgehen sei von den Hochschulpräsidenten selber gekommen, sagte Lüthe. Er bedauere aber, dass der LOI in seiner ersten Version eine „unsägliche Fassung“ hatte, die bald überholt war. Die Veröffentlichung dieses Textes sei dennoch gut. Lüthje: „An der öffentlichen Diskussion konnte der Senat selber gut sehen, was daran indiskutabel war.“ Die Hochschulpräsidenten hätten alle gewünschten Änderungen durchgesetzt. So sei beispielsweise garantiert, dass die Selbstverwaltungsrechte der Gremien respektiert würden.
„Alles nur Wortkosmetik“, ertönte es darauf aus dem Zuschauerraum. Insider befürchten, dass dieser Passus bald unwirksam sein wird, weil Dräger eben diese Gremien mit seinem Gesetz entmachtet. Mit LOI und Gesetzentwurf wird sich heute abermals der Akademische Senat der Uni befassen. Wolf Andre-Deitert appellierte an den AS, sofort einen „Grundordnungsausschuss“ nach gültigem Hochschulrecht einzuberufen. Drägers Gesetz sieht diese Basisbeteiligung nicht mehr vor.
Nach der Vollversammlung demonstrierten rund 300 Studierende unter starkem Polizeischutz zur Ver.di-Kundgebung an der Petri-Kirche. Außerdem wurde für die Zeit vom 10. bis 14. Juni eine Aktionswoche beschlossen. Am 4. Juni wagt sich Dräger selbst auf Einladung von Uni-Präsidium und Studierendenparlament zur Podiumsdiskussion in die Uni. KAIJA KUTTER
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