piwik no script img

„Ne jode Fründ“

Mit Hilfe der schwarzen Kasse halfen die SPD-Fraktionschefs im Kölner Stadtrat klammen Parteifreunden aus. 98.642,44 Mark fehlen spurlos

aus Köln PASCAL BEUCKER

Rückhaltlose Aufklärung? „Das ist doch alles eine verkorkste Situation“, schimpft ein Mitglied der Kölner SPD-Ratsfraktion. Seinen Namen will er nicht nennen. Öffentlich mag sich kaum noch ein Genosse äußern. Denn als würde der Spendenskandal nicht schon reichen, geraten die kölschen Sozialdemokraten nun auch noch wegen einer über Jahrzehnte geführten schwarzen Fraktionskasse in immer größere Erklärungsnot. Die rote Schwarzkasse war „Chefsache“: Die Kontoauszüge gingen an die Privatadresse des jeweiligen SPD-Fraktionsvorsitzenden.

Nach taz-Informationen klafft auf dem inzwischen aufgedeckten Geheimkonto, auf dem sich zeitweise bis zu 700.000 Mark befunden haben sollen, ein Loch von 98.642,44 Mark. Das Geld wurde in bar abgehoben und ist nie wieder offiziell aufgetaucht. Belege gibt es nicht. Das Bargeld sollen die SPD-Fraktionschefs der 90er-Jahre, Klaus Heugel und Norbert Rüther, zur innerparteilichen Landschaftspflege genutzt heben. „Geld machte gefügig“, bringt ein Sozialdemokrat das System auf den Punkt.

Erst Heugel, dann Rüther, beide Frontmänner des rechten Parteiflügels, gingen wie selbstverständlich zur Stadtsparkasse und hoben kleine Tranchen ab. Rüther soll so rund 50.000 Mark besorgt haben, Heugel den Rest.

Nach taz-Informationen hob zum Beispiel Heugel am 31. März 1995 3.000 Mark ab, am 4. Dezember 1995 waren es dann 7.000 Mark – am Schalter kassiert per Barscheck. Was dann mit dem Geld passierte, ist bislang nicht geklärt, denn in die eigene Tasche sollen die beiden Parteirechten nicht gewirtschaftet haben. Vor der Kölner Staatsanwaltschaft hat Rüther ausgesagt, etwa ein Drittel der SPD-Ratsmitglieder hätte gewusst, dass sie in ihm „ne jode Fründ“ hatten, zu dem man kommen konnte, wenn man finanzielle Probleme bei der politischen Arbeit hatte. So wurden Bewirtungen großzügig vom Fraktionsboss übernommen. Aktionen in den Wahlkreisen sollen mit dem Schwarzgeld ebenso gesponsert worden sein, wie Wahlkämpfe und Reisen.

Und möglicherweise nicht nur das. In einer internen Sitzung der SPD-Ratsfraktion, so erfuhr die taz, wurde der Vorwurf erhoben, auch einzelne ehrenamtliche SPD-Kommunalpolitiker, die in finanziellen Schwierigkeiten steckten, hätten „Zuschüsse“ vom Politpaten Rüther erhalten. Darunter auch aktuelle Ratsmitglieder – ausgerechnet zwei, die bislang noch nicht „auffällig“ wurden.

Die Fraktion war sich uneins über den weiteren Umgang mit ihrer Schwarzkassen-Affäre. Ein Ratsherr forderte: „Wenn Heugel und Rüther nicht nachweisen können, wo sie das Geld gelassen haben, muss man sie halt verklagen und es sich bei ihnen heute wieder holen“ – und das schnell, denn Verjährungsfristen drohten. Andere Ratsmitglieder dagegen stellten sich taub.

Nach außen üben sich die Genossen in Schadensbegrenzung. Bislang gebe es nur Gerüchte darüber, wo das Geld geblieben ist, sagte der Kölner SPD-Schatzmeister und designierte neue Fraktionschef Martin Börschel zur taz: „Auskunft können nur die geben, die das in bar abgehoben haben.“ Er wolle sich aber nun „noch einmal klärend mit der Bundespartei abstimmen, dass sich die Auskunftsklage der Partei gegen Rüther natürlich auch auf diesen Bereich bezieht“. Erst müsse der Sachverhalt geklärt werden, dann könne über mögliche Schadenersatzklagen nachgedacht werden. Und SPD-Chef Jochen Ott versprach: „Um die Strukturen, wie Politik funktioniert hat, werden wir uns kümmern.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen