: Das Kreuz mit den lieben Kleinen
Während der Schwangerschaft werden Probleme oft vertagt. Nach der Geburt wird’s für Paare dann umso schwerer – besagt eine neue Studie
von BARBARA DRIBBUSCH
Sich in einen Menschen zu verlieben ist eine schöne Sache. Besonders, wenn die Zuneigung beantwortet wird. Mit der oder dem Angebeteten auch Kinder zu kriegen ist jedoch ein ganz anderes Projekt. In den ersten Jahren nach der Geburt eines Kindes geht es mit der Partnerschaft nämlich fast immer bergab. Dies ergibt eine neue Familienstudie, deren Ergebnisse in wenigen Wochen als Buch erscheinen.
Die Sozialforscher um den Wissenschaftler Wassilios Fthenakis befragten im Auftrag der LBS (Landesbausparkassen) 175 Paare während der Schwangerschaft und mehrmals in den fünf Jahren nach der Geburt des ersten oder zweiten Kindes, wie sich die Qualität der Partnerbeziehung verändert habe. Das Resultat ist eindeutig. Im Durchschnitt geben sowohl Männer als auch Frauen an, dass Streit zunimmt und sich die Kommunikation verschlechtert, schildert der Psychologe Bernhard Kalicki, Mitarbeiter an der Studie (siehe Grafiken). Viele Männer beklagten sich zudem darüber, dass Sexualität und Zärtlichkeit abnehmen.
Destruktive Streitereien
Streitereien zwischen den Partnern werden dabei zunehmend als destruktiv erlebt. Vor allem nach der Geburt eines zweiten Kindes erleben die Männer das Gezänk mit der Liebsten als nervtötend. Sie hätten den Eindruck, dass es immer um das gleiche geht und die Partnerin jeweils „kein Ende finden kann“, so Kalicki. Gemeinsamkeiten, wie etwa mal ein längeres Gespräch am Abend oder eine gemeinsame Unternehmung, schwinden.
Der Abwärtstrend in der ehelichen Stimmung setzt sich einige Jahre lang fort. Erst etwa fünf Jahre nach der Geburt des ersten, beziehungsweise zweiten Kindes käme es zu einer gewissen Stabilisierung, so die Forscher. Überproportional viele Ehen werden allerdings bereits nach fünf bis sechs Jahren geschieden.
Hauptauslöser für die schlechte Stimmung ist die Arbeitsverteilung zwischen den Paaren, so Kalicki. In der Regel steigern Männer ihre Wochenarbeitszeit nach der Geburt eines Kindes, während die Frau vorübergehend oder länger nicht mehr zum Familieneinkommen beiträgt. Nach der Geburt des ersten Kindes haben 90 Prozent der Väter einen Vollzeitjob. 70 Prozent der Mütter sind nicht erwerbstätig. Viele kehren nach dem Erziehungsurlaub nicht mehr in ihren alten Job zurück.
Im Vergleich zur Zeit vor der Schwangerschaft bleibt an den Müttern jetzt viel mehr Hausarbeit hängen. Es kommt zu einer „Traditionalisierung“ der Geschlechterrollen. „Bei den Frauen schleicht sich da oft eine Unzufriedenheit ein“, meint Kalicki. Sie fühlten sich „ungerecht“ behandelt. Die Arbeitsverteilung geschehe nämlich meist schleichend. „Das wird vorher oft gar nicht offen zwischen dem Mann und der Frau ausgehandelt.“
Der Kulturschock, der sich einstellt, wenn die Mutter plötzlich den ganzen Tag alleine mit dem Kind zu Hause sitzt, wird noch dadurch verstärkt, dass die Zeit vor der Geburt so ganz anders war: Von den befragten Paaren in der Studie hatten ebenso viele Männer wie Frauen vor der Geburt des Kindes gearbeitet oder eine Ausbildung gemacht.
Der Wechsel von einer Berufstätigkeit in die Hausfrauenrolle zehrt an den Nerven – auch deswegen, weil die Betreuung des Kindes Merkmale aufweist, die man auch bei einer beruflichen Tätigkeit als anstrengend empfinden würde, schildert Kalicki. „Da gibt es eine gewisse Unkontrollierbarkeit und Unvorhersehbarkeit, man weiß nie genau, wann das Kind schreit.“ Außerdem nagen die Routinearbeiten im Haushalt am Selbstbewusstsein. Die Angst davor, den beruflichen Wiedereinstieg nicht zu schaffen, lässt die Stimmung bei vielen Müttern zusätzlich absacken. Aus dem Gefühl von Machtlosigkeit entwickelt sich eine permanente Subaggressivität.
Die Rollenverteilung wird vor der Geburt des Kindes oft nicht genau festgelegt, weil „die Paare während der Schwangerschaft lieber keine Probleme antizipieren wollen“, so die Psychologin Gabriele Peitz, die ebenfalls an der LBS-Studie mitarbeitete.
Enttäuschte Hoffnungen
Die Hoffnung der Frauen, dass sich die Männer, wenn das Kind erst mal da ist, verstärkt um Nachwuchs und Haushalt kümmern, erfüllt sich dabei oft nicht. Nur dann, wenn die Männer sich sehr auf ihre Vaterrolle gefreut hatten, waren sie auch eher bereit, bei der Betreuung und im Haushalt mitzumachen.
Die Lösung der Partnerschaftsprobleme scheint auf der Hand zu liegen: Mütter müssen mehr Möglichkeiten haben zu arbeiten. „Berufstätige Frauen zeigten sich in der Befragung auf jeden Fall zufriedener“, so Peitz. Allerdings entsteht durch die berufliche Belastung auch neuer Stress. „Das Zeitbudget der Frau wird damit ja geringer“, schildert Peitz. Auch packe der Mann nicht automatisch im Haushalt mehr an, wenn die Frau arbeiten gehe.
Die Verteilung der Betreuungs- und Haushaltsarbeit ändere sich erst dann, wenn Männer ihre Arbeitszeit im Job bewusst verringerten, erklärte Peitz. Dabei müsse es sich nicht gleich um wirkliche Teilzeitarbeit handeln. Es genüge manchmal schon, wenn der Mann tatsächlich rechtzeitig nach Hause käme, um Betreuung, Kochen und Aufräumen mit zu übernehmen.
Doch einfach nur die Haus- und Betreuungsarbeit gleichmäßiger zu verteilen ist nicht für alle die Lösung der Probleme. Peitz weist daraufhin, dass sich nicht alle Frauen freiwillig aus der häuslichen Tätigkeit zurückziehen würden. „Es gibt auch Frauen, die den häuslichen Bereich als ihre Domäne sehen, in der sie der Profi sein wollen.“
Nicht wenige Frauen zeigen sich nämlich auch traditionell orientiert, wenn es um die Rollenverteilung geht. Im Schnitt erwarten die Frauen sogar noch etwas mehr als die Männer, dass der Mann „das Familieneinkommen sichert“, ergab die Studie.
Diese Widersprüche im Rollenstreit müssen in einer Partnerschaft bewältigt werden. Doch eine Partnerschaft fängt meist mit Liebe an. „Wer denkt da schon dran“, so Peitz, „dass es nach der Geburt der Kinder vor allem darum geht, Probleme gemeinsam lösen zu können?“
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