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Dialog vor leeren Plätzen

Peking blamiert Berlin: Das „deutsch-chinesische Rechtssymposium“ tagt praktisch ohne Beteiligung des Gastgebers. Der sieht noch einen „langen Weg“ vor sich

PEKING taz ■ Dass die Chinesen in der Geschichte weite Wege gehen, weiß die Welt seit Maos Langem Marsch. Doch es bedarf offenbar eines „Deutsch-chinesischen Rechtssymposiums“ unter Teilnahme von Ministern, Ministerialbeamten und Professoren, damit die Deutschen verstehen, dass die Chinesen auch hinsichtlich der Entwicklung eines Rechtsstaates „noch einen langen Weg vor sich haben“. So sagte es der chinesische Minister Yang Jingyu, als er gestern das Symposium im Beisein der deutschen Justizministerin Herta Däubler-Gmelin in Peking eröffnete.

So sagte es auch Xia Yeliang, Dozent der Peking-Universität, als er die Rede des ehemaligen Hamburger Justizsenators Peter Schulz kommentierte, der das staatsgläubige China bei seinen Reformbemühungen dazu aufgefordert hatte, auf die Rechtserziehung seiner Bürger zu verzichten, weil „staatliche Propaganda nicht hilft.“ Viel wichtiger wäre es Schulz zufolge, wenn der chinesische Staat „ein gutes Beispiel geben würde, indem er seine Rechtspflichten gegenüber dem Bürger erfülle“. Doch Xia entgegnete höflich: „Unser Staat will seine Bürger erziehen. Bis sich das ändert, hat China noch einen langen Weg vor sich.“

Doch leider hatte man diese Antwort schon vorher gehört. Und leider blieb sie die einzige Erklärung, welche die Deutschen gestern bei ihrem Versuch erhielten, die Menschenrechtskritik, die westliche Regierungen üblicherweise in Peking vortragen, durch einen offiziellen „Rechtsdialog“ zu ersetzen.

Grundsätzlich ist dieser von Bundeskanzler Gerhard Schröder angestrebte Versuch, die Menschenrechte auf dem Umweg von Rechtsreformen nach China zu bringen, durchaus vielversprechend. Die Volksrepublik befindet sich juristisch gesehen immer noch in einer Gründungsphase. Nur nützen auch die besten Ratschläge nichts, wenn niemand ihnen zuhört.

Gestern aber verließen die meisten chinesischen Teilnehmer das Symposium, sobald die beiden Minister gegangen waren und die eigentliche Diskussion begann. Ganze Sitzreihen blieben leer. Es war eine sonderbare Veranstaltung, auf der in einem Pekinger Luxus-Hotel zwei Dutzend hochkarätige deutsche Juristen erörterten, welche Justizreformen für China sinnvoll wären und welche nicht – nur das angesagte Publikum, bestehend aus hohen Vertretern der meisten Pekinger Ministerien, war längst entschwunden. Zurück blieben Leute auf den hinteren Plätzen wie Xia Yeliang – einflusslose, aber wissbegierige Wissenschaftler, die gelegentlich eine Frage stellten. Nicht mal der chinesische Hauptredner Wang Liming verweilte länger im Saal.

Vielleicht hatte Herta Däubler-Gmelin die Brüskierung vorausgesehen. Jedenfalls forderte die Justizministerin gestern, den Rechtsdialog von der Regierungsebene auf die Zivilgesellschaft auszudehnen. Das würde viele erfreuen: An zahlreichen chinesischen Universitäten sehnen sich die juristischen Fakultäten geradezu nach deutscher Unterstützung etwa für Stipendien, Gastdozenturen und die Übersetzung von Lehrbüchern. Doch bis zu diesen tatsächlich interessierten Ebenen reicht der deutsch-chinesische Rechtsdialog bisher nicht. GEORG BLUME

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