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Schule in der Antarktis

■ Pennäler kartieren für das Alfred-Wegener-Institut Laichgebiete. Auf dem Forschungsschiff Polarstern wird der Rahmen von Schule geknackt

Die Frage, wie das Salz ins Meer kommt, ist langweilig. Die Antwort gehört zum Lehrplan der Sekundarstufe eins. Aber was geht ab bei solchen „Kloppern“ wie: Wie ist die Erde wirklich entstanden? Warum leben wir in einer Eiszeit? Was hat die unverbrüchliche Liebe zwischen Methan fressenden Archaeanen und Schwefelsäure knabbernden Bakterien mit dem „echten“ Leben zu tun?

„Ihr müsst raus aus dem Elfenbeinturm!“ Das hat die Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung, Edelgard Bulmahn, von den forschenden Instituten gefordert. Beim Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut (AWI) trat sie damit offene Türen ein. Das AWI koordiniert die deutsche Polarforschung und hat Anfang dieses Jahres eine Auricher Schülergruppe sogar auf ihrem Forschungsschiff Polarstern in die Antarktis geschickt. Die Schüler beteiligten sich an Kartierungen von sensiblen Fischlaichgebieten, kontrollierten den Fischbestand polarer Gewässer, fotografierten den Urzustand des Tiefseegrundes, bestimmten Daten zur Erdgeschichte. „Es dauert uns zu lange, bis aktuelle Wissenschaft in den Schulbüchern auftaucht. Wir wollen den Rahmen der traditionellen Schule knacken und Unterricht spannender machen“, begründet Alexander Stracke, einer der AWI-Organisatoren, die „Schüler-Wissenschafts-Verschickung“.

Bremer Schulen sind Anfang Juni dort zu Informationstagen in die Bremerhavener Labore und zu Ausfahrten auf der Polarstern eingeladen (Anmeldungen nötig, siehe Kasten). AWI-Forscher kratzen im Eis nach Spuren des Klimawandels, bohren in den Meeresgrund, um die Entstehungsgeschichte der Erde zu dokumentieren, und bestimmen weltweit und besonders in der Nordsee den Zustand der maritimen Flora und Fauna. Besonders in den Polarmeeren entdecken sie regelmäßig unbekannte, maritime Arten.

Ein anderes bremisches Forschungslabor doktert - gleichfalls spektakulär - im Trüben. Seit Jahren beschäftigt sich das Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie (MPI) als eines der wenigen Forschungslabore auf der Welt unter anderem mit Bakterien, die eine besondere Bedeutung für die Umwelt haben. Ein Forschungsansatz lautet: Können Bakterien komplexe Kohlenstoffverbindungen knacken? Für Laien: Fressen Bakterien die Ölpest auf? Wenn ja, dann könnten sie gegen die regelmäßigen Verseuchungen auf den Meeren eingesetzt werden. „Natürlich züchten wir keine Bakterien für den Öl-Einsatz“, erklärt der Sprecher des MPI, Manfred Schlösser. „Unsere Grundlagenforschung beschäftigt sich mit dem prinzipiellen Prozess, den die Bakterien möglicherweise auslösen können.“

Einen anderen Coup landete das MPI mit der Entdeckung von Methan fressenden Bakterien. Methan gilt als die Energiequelle der Zukunft. In der Tiefsee schlummern ungeheure Vorräte dieses Gases. Als Methanhydrat wird es auch „brennendes Eis“ genannt. An der Oberfläche verpufft das Gas aus dem weißlichen Feststoff oder schimmert - angezündet - rötlich. Auf der anderen Seite ist Me-than als Treibgas ein fürchterlicher Ozonkiller, 50 mal aggressiver als Kohlendioxid. Bekannt ist, dass etwa Kühe Methan in die Atmosphäre blähen. Den Grund, warum das Methan aus der Tiefsee nicht an die Oberfläche sprudelt, hat das MPI auch herausgefunden: Es gibt Methan fressende Bakterien.

Die Bakterien verwandeln Me-than ohne Sauerstoffverbrauch in Sulfat (Salz der Schwefelsäure). Dieses Sulfat wiederum dient anderen Bakterien zur Nahrung. Beide Bakterien gehen eine Symbiose ein - eine existenzielle Lebensgemeinschaft, von der beide profitieren. Da wo Methan auf dem Meeresgrund vorkommt, findet man in einem Millimeter Meeresboden bis zu 100 Millionen dieser Bakterienklumpen. Symbiosen sind die Keimzellen allen Lebens, sozusagen der zweite Schritt des Lebens aus dem Urschlamm.

Diese und ähnliche Arbeiten möchte das MPI zu seinem zehnten Geburtstag, zusammen mit allen anderen Forschungsinstituten der Uni-Bremen, Anfang Juni der Öffentlichkeit vorstellen. Die Wissenschaftspräsentationen finden nicht nur im bundesweiten Rahmen des Jahres der Geowissenschaften statt, sondern im Rahmen der „City-of-Science“. „City“, damit ist wirklich Bremen gemeint. Spektakulärer als dieses vir-tuelle Label Bremer Forschung ist jedoch der direkte Kontakt mit den einzelnen Instituten.

Thomas Schumacher

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