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Karstadt ausverkauft

Streik legt Hamburgs Warenhäuser nach dem Scheitern der Tarifverhandlungen lahm. Der Konzern steigerte im Vorjahr sein Ergebnis um 26 Prozent auf 344 Millionen Euro

Hamburgs Karstadt-Warenhäusern waren gestern weitgehend lahmgelegt. Rund die Hälfte der 4900 Angestellten war einem Streikaufruf der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) gefolgt. Mehrere Stunden lang blieben zwölf von 14 Häuser des Konzerns dicht, teilte eine ver.di-Sprecherin mit. Die Proteste richteten sich gegen das Arbeitgeberangebot von 1,7 Prozent in der Tarifrunde für die rund 65.000 Beschäftigten des Hamburger Einzelhandels. ver.di fordert 6,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt. Auch in anderen Städten waren Karstadt-Angestellte zu Protestaktionen aufgerufen.

„In uns ist eine unbändige Wut“, sagte der Hamburger Karstadt-Betriebsratsvorsitzende Wolfgang Holzapfel. „Wir stehen an unterster Stelle der Einkommensskala. Viele fragen sich, wie sie ihre Miete zahlen sollen.“ Stein des Anstoßes sind auch die vom Unternehmen gestrichenen freiwilligen Sozialleistungen. An einer Kundgebung am Alsteranleger nahmen am Mittag rund 1500 Karstadt-Beschäftigte teil.

Das Datum für den Streik hatte ver.di mit Bedacht gewählt. Denn gestern legte in Düsseldorf die KarstadtQuelle AG die Bilanz für 2001 vor. Der Umsatz von Europas größtem Warenhaus- und Versandhandelskonzern istdemnach um vier Prozent auf 16,1 Milliarden Euro gestiegen, gab Vorstandsvorsitzender Wolfgang Urban bekannt. Und der Gewinn stieg um mehr als 26 Prozent auf 344 Millionen Euro.

„Vor allem wir bei Karstadt haben eine ganz besonders schlechte Situation“, sagte Holzapfel. 2001 hatte der Konzern bundesweit 7000 Arbeitsplätze ersatzlos gestrichen. „Einer erledigt jetzt die Arbeit, die vorher drei Leute gemacht haben“, berichtete die Angestellte Milka Perovic. Vom ständigen Hin- und Hertauschen der Schichten ist die 20-Jährige „genervt“. Ähnlich geht es auch ihrer Kollegin Corinna Bernd. Obwohl immer weniger Personal die Arbeiten erledige, wollten die Kunden immer mehr Service. Der Streik sei daher nicht nur eine Folge der gescheiterten Tarifverhandlungen. „Es geht um mehr“, sagte die Einzelhandelskauffrau. Während sich der Vorstand die Bezüge erhöhe, blieben die Angestellten auf der Strecke. Um die Forderungen nach einer Gehaltserhöhung durchzusetzen, sei sie bereit zu kämpfen: „Ich würde hier auch drei oder vier Tage stehen und streiken.“ LNO / TAZ

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