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Männermedizin für Frauen

Ob Herzinfarkte oder Schmerzmittel: Frauen reagieren anders als Männer. Aber das hat die Pharmaindustrie bisher nicht interessiert. Dabei würde es die Kosten der Krankenkassen senken, die Geschlechtsunterschiede ernst zu nehmen

von ULRIKE WINKELMANN

Frauen sind anders gesund als Männer, und sie werden anders krank: Was jeder aus seinem Umfeld weiß, hat sich in der Medizin noch lange nicht herumgesprochen. So werden Medikamente in Deutschland immer noch fast nur an Männern erprobt, auch wenn sie nachher überwiegend von Frauen genommen werden.

Frauen mit ihren ständigen Hormonschwankungen und dem Dauerrisiko, schwanger zu sein – das seien eben keine Kandidatinnen für zuverlässige Studien, sagt die Pharmaindustrie dazu. Warum sie dann zuverlässige Konsumentinnen eines Medikaments seien sollen, erklären die Arzneimittelhersteller freilich nicht.

Klar ist jedoch, dass Frauen anders auf Arzneien reagieren als Männer – haben sie doch weniger Gewicht, aber einen höheren Körperfettanteil, einen langsamer arbeitenden Magen, aber eine schnellere Einweißverarbeitung. So bekannte Mittel wie Paracetamol wirken bei Frauen weniger gut und lang; und die Acetylsalicylsäure, bekannt als Schmerzmittel, beugt zwar bei Männern, nicht aber bei Frauen einem Herzinfarkt vor. „Es ist davon auszugehen, dass Frauen dauernd überdosiert werden und deshalb eher an Nebenwirkungen erkranken“, sagt die Bremer Landesbeauftragte für Frauen, Ulrike Hauffe.

Und das ist nur ein Beispiel dafür, welche Folgen es hat, dass Gesundheits- und Krankheitsdaten nicht nach Geschlechtern getrennt erhoben werden. „Ständig wird die Effizienzsteigerung im Gesundheitswesen angestrebt, als sei dies ein neutraler Maßstab. Dabei müsste eigentlich geschlechtersensibel diskutiert werden“, sagt Mareike Koch, Leiterin der Bundeskoordinationsstelle Frauengesundheit in Bremen. Sie fordert daher „Gender-Mainstreaming“ auch in Gesundheitsfragen: Jede Maßnahme sollte, so das Argument, auf seine unterschiedlichen Auswirkungen auf Frauen und Männer hin abgeklopft werden.

Geschlechtsgetrennte Gesundheits- und Krankheitsdaten werden daher auch die Frauenministerinnen und -minister der Länder fordern, die sich heute und morgen in Bremen treffen. Warum sich das Gender-Mainstreaming in der Medizin lohnen würde, beweist unter anderem ein Blick in das Gutachten des Sachverständigenrats, das im vergangenen Jahr veröffentlicht wurde. Die Deutschen, so die Erkenntnis, zahlen zu viel für eine zu schlechte medizinische Versorgung. Der hässliche Dreiklang „Über-, Unter- und Fehlversorgung“ wird seither angeführt, wo immer über Gesundheitspolitik geredet wird.

Der Sachverständigenrat, das Beratergremium der Bundesgesundheitsministerin, konstatierte unter anderem schwere Mängel in der Brustkrebsfrüherkennung und bei der Versorgung und Behandlung Depressiver sowie mangelnde Vorausschau, welche Folgen es etwa für den Bereich der häuslichen Pflege haben wird, wenn Patienten demnächst früher aus den Krankenhäusern entlassen werden. Das sind übrigens alles frauenspezifische Probleme.

Die ebenfalls gerügte hohe Sterblichkeit bei Herzinfarkten, sagt Koch, habe auch damit zu tun, dass Ärzte Herzinfarkte bei Frauen nicht erkennen, weil ihre Symptome andere sind: Wo Männer über die klassischen „Schmerzen im linken Arm“ klagen, „stellen sich bei Frauen eher Schmerzen im Oberbauch ein“.

Bremen liefert auch ein gutes Beispiel, warum sich eine eigene Frauengesundheitsberichterstattung lohnt: „Wir haben herausgefunden,“ sagt Hauffe, „dass in Bremen im Vergleich zum Bundesdurchschnitt wesentlich mehr Gebärmutterentfernungen durchgeführt werden. Jetzt können wir mit den Ärzten diskutieren, woran das liegt.“

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