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Der Nachbar ist der Stumme

Eine neue Dauerausstellung thematisiert Geschichte und Auftrag des Hauses: „Ein Dach für alle Kulturen“ – so der Titel der Schau – bietet das Hamburger Museum für Völkerkunde. Und das weiterhin möglichst unverstaubt

Ein Fest von Migranten, ein besonderes Ausstellungsthema, Forschungen oder Reiselust: Es gibt viele Anlässe, das Museum für Völkerkunde aufzusuchen – und die Zahl der Besucher steigt von Jahr zu Jahr. Wie aber ist das Selbstverständnis eines solchen Museums, und welches sind die Aufgaben der Völkerkunde? Das Wort klingt in vielen Ohren verstaubt und ist doch aktuell in einer Zeit, in der ständig ethnische Fragen die Politik zu bestimmen scheinen.

Als erstes Haus seiner Art hat jetzt das Museum für Völkerkunde im zentralen Raum des ersten Stocks Geschichte und den heutigen Bezugsrahmen der Sammlungen thematisiert, und zwar in Form einer neuen Dauerausstellung. In sechs Vitrineninseln geht es um die Tradition des Sammelns, Forschens und Vermittelns, um Kolonialkultur, Migration und Synkretismen sowie den Blick Europas auf andere Kontinente und deren Focus auf Europa.

Zentral positioniert ist dabei eine Spiegelsäule, die demonstriert, das es keineswegs nur in Europa üblich ist, sich selbst als die wahren Menschen und alle anderen als Barbaren zu betrachten. Inuit, Bantu, Comanche, Magyar, Raramuri, Rom oder Hasawa, alle diese Selbstbezeichnungen bedeuten einfach „Menschen“ oder „Erstes Volk“. Und die Nachbarn sind zum Beispiel „Stumme“, was die ostslawische Bezeichnung „nemec“ für „deutsch“ bedeutet.

Die Präsentation dieser Einleitungsausstellung mit dem Titel Ein Dach für alle Kulturen markiert zugleich das zehnjährige Amtsjubiläum des Museumsdirektors Wulf Köpke. Und der ist stolz darauf, manchen seiner Ziele ein gutes Stück nähergekommen zu sein: Modernisierung der Schausammlungen, Vermittlung an ein breiteres Publikum, Etablierung des Museums als ein Zentrum des interkulturellen Dialogs und eine Verbesserung des Zustandes der Archive.

Was den Platzbedarf angeht, gelang es zudem, manchen bisher verborgenen Winkel – etwa den Bibliotheksvorraum – neu zu erschließen. Langfristiges Ziel ist es aber, die im Jahr 1904 eingestellten Bauarbeiten wieder aufzunehmen und das Museum in naher Anlehnung an die alten Pläne auf dem bis heute reservierten Platz zu Ende zu bauen, auf dem sich zurzeit die Uni-Tennisplätze befinden. Und Museumsdirektor Köpke ist guten Mutes, das alles noch zu erleben.

Hajo Schiff

Ein Dach für alle Kulturen, Dauerausstellung, Di–So 10–18, Do bis 21 Uhr, Museum für Völkerkunde; neuer Museumsführer: 160 S., 6,50 Euro

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