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Eine Blase für Bush

Kameraleute filmen, Schreiberlinge schreiben, Fotografen fotografieren: der Berlin-Aufenthalt als politischer Wille und mediale Vorstellung. Eindrücke rund um den Besuch des amerikanischen Präsidenten nebst Einblicken in die Realität des Journalismus

Im Presseraum ist der Synchronkrieg entbrannt. Bis jemand „Kindergarten!“ ruft

von KATHRIN RÖGGLA

im vorfeld. falls es jemand noch nicht weiß: man sollte kein hässliches bild abgeben so als hauptstadt. aber wo ist die hin? zu sehen ist nur eine content-landschaft, die eher einer zerklüfteten marsoberfläche gleicht. alle schürfen drauf los, suchen wie besessen nach einer stimmung, einem statement, einer einstellung, oder einer interviewidee, beziehungsweise nach „vox pop“, wie birgit schwarz vom orf das nennt. oder man interviewt sich gegenseitig, spielt die stillen figuren der selbstreferenzialität durch wie tai-chi-übungen, nicht aus eitelkeit, wie ich feststellen kann, nein, aus purer not.

pausen. lange wartezeiten während der sicherheitschecks. und dann geschieht nichts. da hat man im vorfeld ausgiebig großartige randale erwartet, dazu einen präsidenten mit einem hauch elfter september, plus historischer rede, und was findet man vor? eine geisterstadt, abgeriegelt.

content, also stoff, scheint nur in den randbereichen möglich, den ritzen des wüstengesteins, in denen etwaige geschäftsbesitzer hausen, die man befragen kann, oder anwohner, deren kinder zur schule müssen – nein, das muss nicht sein. lieber „vox pop“, denke ich, das wär doch was für mich, und bewege mich richtung demonstration der „achse des friedens“. doch „vox pop“ ists dann doch nicht so recht. immerhin gewinne ich in kürzester zeit folgende erkenntnis: jugendliche reden nicht so gerne in ein mikro und mögen die medien auch nicht so gerne. sie sind lieber mit freunden „so eher linksradikal“ als organisiert.

auch bei der pro-bush-demo habe ich kein glück. denn da sind pärchen. und die sind bekanntlich am schlimmsten, wenn sie plötzlich auf einer cdu-veranstaltung vor deinem mikro stehen, nachdem sie eine weile schon herrn steffel zugehört haben neben einem „ami stay here“-transparent. sie werden alle ihre ressentiments bei dir abladen, also schleunigst wieder rückzug ins content-land vorbei an den plakaten der firma wall, auf denen „welcome“ mit punkt hinten nach steht, weil das kein gruß ist, sondern ein statement.

im pool. das content-land wird beherrscht von der zahl zwei, und ihrer doppelten bedeutungscodierung. und zwar im sinne einer teilung, der opposition, oder in einem summarischen, dem der verdoppelung. good and evil ist in dieser angelegenheit schon bekannt. aber dass der präsident mit zwei flugzeugen ankommt, wohl eher nicht. „airforce one“, so kann ich beobachten, kommt zweimal an. jedenfalls sehen die flugzeuge absolut identisch aus, doch nur jenes, in dem der präsident sitzt, heiße jeweils „airforce one“. um zu dieser geheiminformation zu kommen, muss ich nochmals durch die zahl zwei. denn es gibt, so steht zumindest auf dem info-blatt, „wort- und bildtermine“. und es gibt presse von erster klasse und einer von zweiter, was da aber nicht steht.

dass „white house press“ jener bevorzugte presse-tross ist, der bush auf seinen reisen begleitet und auf den hier alles abgestimmt werden muss, das kann man schnell mitkriegen, bewirbt man sich um „poolkarten“. doch da muss man sich gleich wieder entscheiden: entweder für die pressekonferenz im kanzleramt oder für die rede im bundestag. ich habe glück und bekomme überhaupt keine von beiden, aber die auskunft, dass es für mich möglich wäre, im pressezentrum die angelegenheit im fernsehen zu verfolgen. „wie bitte?“ – „ja, über phoenix oder ntv“, erklärt mir die freundliche dame. ich wiederhole: „wie bitte? dafür habe ich mich akkreditieren lassen?“ sie lässt mich schließlich als fotografin durchgehen, und ich darf zu den „militärischen ehren“ im schloss bellevue und zur begrüßung am flughafen, da für diesen termin das kontingent für journalisten unbegrenzt sei.

und bush kommt immer noch gerne nach deutschland! auch die demos machten ihm nichts aus. schließlich sei das so in einer demokratie. und auch fischer meint: die mit abweichender meinung müssen auch dürfen sollen. während also bush noch immer gerne nach berlin kommt, stehe ich noch immer im pressezentrum in der warteschlange. inzwischen sind aber nicht mehr die soignierten herrschaften von vormittags da, die sich grüßten und über regierungssprecher im allgemeinen und herrn heye im besonderen gesprochen haben. nur die fotografen mit und ohne bundesverdienstkreuz fahren mit im konvoi mit polizeibegleitung in richtung flughafen tegel.

da ist der mopo-redakteur, zuständig für „alles“. die freie dame, die „fürs ausland“ fotos schießt. ein marc, der auf „langfristige fotos“ setzt. es gibt den bz-fotografen, der später die tochter von bush, von der danach niemals mehr die rede war, fotografieren soll: „ach, dann verbringt man eben einen abend im borchardts umsonst. auch nicht schlecht.“ und die fernsehredakteurin: „wowereit muss organisiert werden. jetzt isst er ja doch im tucher mit.“ es gibt das künstlerduo korpys/löffler, die die inszenierungen der macht mit kamera und richtmikro aufzeichnen. ich finde es lustig, in andere medienbeobachtungen hineinzulaufen. die beiden wohl eher weniger.

aber es gibt auch die nüchternheit in persona einer dpa-mitarbeiterin: „ich bin schreiberling und werde die ankunft vermelden.“ die agentur brauche die schnelle nachricht, dass der präsident auch wirklich gelandet sei. es gehe also nur um den zeitpunkt? auf den punkt genau. und man müsse für den notfall vorbereitet sein. bei dpa sei ein riesenteam beschäftigt. bestimmt 20 leute. der ap-agentur-mann winkt gleich ab: er sei nur der ersatzmann hier. er sei nur dazu da nachzufragen: „habt ihr alles?“, und er sei zur objektivität verpflichtet, deswegen könne er mir auch keine einschätzung geben, sondern liest weiter seinen diogenes-krimi.

dann spricht david farrar, der presseattaché des generalkonsulates. er erklärt die „movements“: „airforce one will arrive at 20.20.“ der präsident werde das flugzeug verlassen und begrüßt werden. dann colin powell: ein 2-minütiges statement. nein, es sei zu diesem zeitpunkt noch nicht klar, ob der außenminister fragen entgegennehmen werde. und mr. powell steht dann tatsächlich vor den noch laufenden turbinen und spricht immer in die eine und in die andere richtung, als wären nur zwei kameras da. nicht im sinne von good and evil, mehr im sinne von eins und eins: dass er hier mehrfach gedient habe. und: „in harmony.“ der abrüstungsvertrag mit russland. „all the cooperative efforts.“ und dann doch ein bisschen good and evil: massenvernichtungswaffen, die uns alle bedrohen. ein irak, über den man sprechen müsse. und eigentlich ist damit inhaltlich schon alles erledigt, und bush könnte eigentlich wieder weiterfliegen, zumindest pressemäßig.

dennoch gibt es am nächsten tag die „militärischen ehren“ im garten von bellevue: die buh-rufe gegen die vorauseilende white house press werden von der second class press mit gelächter abgeschlossen. „sie nehmen uns die besten positionen weg!“ heute sind nur fotografen mitgekommen und fernsehteams, weil hier wirklich nur bilder zu machen sind. man nimmt verärgert seine schlechteren positionen auf der tribüne ein, spricht mit den alten haudegen der politischen fotografie. helmut r. schulze ist da. auch die künstlerin regina schmeken aus münchen ist gekommen. und so stimmt man leises wartegemurmel an. nur korpys und löffler arbeiten schon längst, filmen das wachpersonal, die wartepositionen des protokolls, die militärkapelle. später resümiert helmut r. schulze: „ich mache das jetzt 30 jahre. und in der form finde ich es sehr schade. ich finde es auch sehr schade für den präsidenten selbst. denn er sieht ja gar nichts. er sieht eine leere kulisse. und ich meine, das ist ja nun wirklich nicht das deutschlandbild … ich habe es in der form noch nie erlebt. ich habe clinton erlebt. hautnah. reagan. clinton hat ein bad in der menge genommen … da war auch dynamik drin. das sind alles nur standbilder hier. die haben optisch keinen bestand.“

im presseraum. es werde eine historische rede werden, so thomas roth am mittwochabend. es mögen sich fachleute streiten, ob es eine historische rede gewesen sei, so thomas roth am donnerstagabend. ja, hat er nun was gesagt oder hat er nichts gesagt? die antwort im pressezentrum liegt auf der hand: etwas gelangweilt wirken die journalisten. das spannendste, was jedenfalls im augenblick zu passieren scheint, ist der synchronkrieg. der journalist, der für milliyet schreibt, will die rede in der deutschen simultanübersetzung auf phoenix hören. und auch eine kollegin mit archaischem aufnahmegerät meutert. und doch gibt es eine deutliche mehrheit, die bush im original auf ntv hören will. und so werden beide fernsehlautstärken gleichzeitig hochgedreht, bis jemand „kindergarten!“ ruft.

ansonsten kommentiert man eher müde: „ach, die klatschen ja nach jedem satz“ zur rede thierses, der immerhin bush zur internationalen zusammenarbeit auffordert. gezeigt werden die angefressenen gesichter der pds. man hört den rumor, der durch die pds-transparent-aktion entsteht: „raus! raus! raus!“ den grinsenden kohl mit seinem bügel am kopf. eine reihe für sich sind: doris und laura und christine. mit nachnamen und nachnamenteilen. und schröder wie er fertig aussieht. aber bush kehrt eben gerade sein be-prepared-gesicht wieder heraus. hier auf irdischem boden tröstet inzwischen cem sey, der korrespondent von cnn türk, seinen iranischen kollegen über das iran-statement.

es sind viele korrespondenten im presseraum. indische, türkische, iranische. man versorgt sich mit kommentaren und informationen, und es herrscht eine grundsätzliche offenheit vor. mit cem sey spreche ich noch über das ranking bei der pressekonferenz: wer die fragen stellen dürfe, und wie man es schaffe, fragen zu stellen. manchmal betone er cnn lauter, sagt er grinsend.

nur irgendwo im nebenraum kommentiert herr prof. hacke aus bonn. ein konservativer, der uns in betulicher weise das historische der rede herauserklärt: „ein plädoyer für die amerikanisch-russischen beziehungen, und das auf deutschem boden! das ist doch starker tobak!“ was auch nur zaghaftes gelächter erzeugt in den räumlichkeiten mit den thermoskannen und sprudelflaschen, mit steckdosen und organisationsluft. das einzig lautere gelächter entsteht nach der frage an bush, wie es denn sei, in eine geisterstadt zu kommen, als dieser antwortet: „i live in a bubble, that’s what happens, when you are a president.“ aber er sei am vorabend im restaurant den berlinern etwas näher gekommen, worauf cem sey den kopf schüttelt: „ja, aber da warst du doch unter lauter amerikanern!“

im fernsehen. bei dem post-bush-talk bei maybritt illner taucht die zahl zwei noch mal auf, etwas gespenstisch, weil strikt summarisch, naja, historisch möglicherweise doch etwas oppositionell, vermutet otto schily gegenüber volker rühe, aber jetzt ist man sich jedenfalls einig. stimmt, so scheint es, in allen fragen des gespräches überein, in dem sich der innenminister und der fraktionschef der pds eine ganze weile anschreien. und claudia meyer von attac schreit nicht.

Die Schriftstellerin Kathrin Röggla lebt in Berlin. Zuletzt erschien ihr buch „really ground zero“ (Fischer Verlag).

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