: Schmerz der Enttäuschung
Sandra Völker schwimmt bei der Deutschen Meisterschaft weiter gegen ihren Bandscheibenvorfall – EM-Qualifikation nur in den Rückendisziplinen erreicht
Sandra Völker wusste, dass in diesem Moment eine Entscheidung fallen musste. Erst vor wenigen Minuten war die Schwimmerin der SG Hamburg aus dem Wasser gestiegen, nachdem sie hinter ihrer Dauerkontrahentin Franziska van Almsick nur Vierte über 100 m Freistil geworden war. Doch nicht alleine diese Enttäuschung machte die Situation für die Hamburgerin unerträglich. Vielmehr stellte sie ihr Trainer Dirk Lange vor eine Frage, die ein Albtraum für Sportler sein muss: Weitermachen oder aufgeben?
„Denk an deinen Rücken!“, ermahnte er sie. Zu gut wusste Lange, wie schwer der Bandscheibenvorfall, den Völker im November erlitten hatte, sie beeinträchtigte. Das ganze Trainingsprogramm musste Lange für Völker umstellen, um sie für die Deutschen Meisterschaften in Warendorf, der einzigen Qualifikation für die in vier Wochen beginnende EM in Berlin, vorzubereiten. Statt eine Operation durchzuführen, hatte Völker ein aufwendiges Rehabilitations-Programm über sich ergehen lassen. „Wir haben ihr selbst beigebracht, wie sie mit Schmerzen im Rennen psychisch umgehen kann“, erklärt Lange.
Doch unmittelbar nach der 100 m Freistil-Niederlage verspürte Völker nur den Schmerz der Enttäuschung. „Ich muss es wissen, ob ich es noch kann“, beschwor sie Lange, der weiteren Starts zustimmen sollte – mit der Gefahr, weitere Niederlagen in Kauf nehmen zu müssen. Über 50 m Freistil hatte Völker ja souverän gewonnen und auch über 100 m sah es anfänglich gut aus. „Aber meine Zeit war nicht schlecht“, meinte Völker trotzig, auch wenn sie auf beiden Strecken die EM-Norm verpasste.
Ihre Entscheidung doch noch über 50 und 100 m Rücken zu starten, verhinderten ein Fiasko. Über 50 und 100 m Rücken schwamm Völker daraufhin zum Sieg. „Da war die Welt wieder ein bisschen in Ordnung.“ Doch die vollkommene Zufriedenheit sollte sich nicht einstellen. Über 50 m Rücken schwamm die 28-Jährige ein „schlimmes Rennen“, reckte aber ihren Finger in Siegerpose und küsste ihren Trainer. Doch die Verbitterung bei Trainer und Athletin über die gezeigte Leistung war zu spüren. Lange konnte sich seine Kritik am Qualifikationsmodus nicht verkneifen. „Es ist ungünstig für lange verletzte Schwimmer, nur eine Qualifikation zu haben“, verlagerte er seinen Frust auf Verbandsebene. C. BERTLING
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