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barbara dribbusch über GerüchteRobby, Ferkel und Thomas

Bei Partys anderer Leute amüsieren sich die Gäste. Bei mir stehen immer öfter Loser und Gewinner höflich herum

Mit Robby wäre es bestimmt wieder ein Problem geworden. Robby gehört zu meiner Vergangenheit. Und meine letzte Geburtstagsparty vor einigen Jahren hat er fast ruiniert. Er hatte schon einiges getrunken und drehte sich dann noch den dicken Joint. Zugekifft quatschte er die Gäste voll mit seiner Theorie vom gescheiterten Kapitalismus. Schließlich griff er zur Gitarre und spielte einen Blues. Einen Blues! Die Gäste verließen nacheinander den Raum. Es war zum Verzweifeln.

Der Blues immerhin passte in gewisser Weise, denn Robby ist einer, den viele wohl als lebensuntüchtigen Loser bezeichnen würden: ABM-Karriere. Aufenthalt in einer Suchtklinik. Doch ich kann es ihm nicht vergessen, wie er mich damals für einige Wochen aufgenommen hat, mehr als 20 Jahre ist es her. Ich war in den Spätwirren der sexuellen Revolution obdach- und orientierungslos geworden. Robby ließ mich einige Wochen auf seinem grünen Sperrmüllsofa wohnen, ganz absichtslos, und las mir abends zum Einschlafen „Pu der Bär“ vor, die Geschichte von Ferkel und dem Heffalump. Eigentlich ist Robby okay.

Wäre da nicht meine letzte Geburtstagsparty gewesen. Schließlich ist nichts schwieriger, als eine Gästeliste für ein Fest zusammenzustellen, zu dem Bekannte aus allen Lebensphasen kommen sollen. Man stellt sich das ja immer so vor: Die Gäste unterhalten sich, trinken, tanzen, flirten, lernen neue Leute kennen, bedanken sich für die tolle Party und gehen dann wieder. Aber so sind immer nur die Partys der anderen. Bei mir hingegen knirscht es.

In zwei Jahrzehnten hat sich mein Bekanntenkreis aufgespalten. In Leute mit Eigentumswohnung und solche, die immer noch ohne Geschirrspülmaschine in unbeheizten Altbauküchen sitzen. In Kiffer und Nicht-mehr-Kiffer. In solche, die ständig am Networken sind und jeden zum Lachen bringen können, und solche, die eine lustige Geschichte immer mit der Pointe beginnen.

Thomas zum Beispiel ist Unternehmensberater und kifft nicht mehr. In seiner neu erworbenen Zweimillionenvilla hörte ich mir kürzlich alles an über Immobilienpreise in Berlin. Thomas würde sich vielleicht auch mit Robby unterhalten, aber nur aus Höflichkeit.

Und dann ist da Werner, seines Zeichens Publizist. Werner spricht am liebsten nur über Buchprojekte, und das am besten nur mit Frauen, die ledig sind, unter 35, Idealgewicht haben – und Publizisten zufällig supererotisch finden. Da wäre meine Bekannte Suse schon mal nicht die richtige Gesprächspartnerin. Sie hält die Medienwelt nämlich für eine echte Angeberbranche und bevorzugt Feste, wo Männer hinkommen, die gut tanzen können und rothaarige, allein erziehende Sozialarbeiterinnen sexy finden.

Und dann ist da noch Chrissy. Sie steht immer in der Ecke und hält sich an ihrem Weinglas fest. Chrissy ist nach einigen ABM wieder arbeitslos und ziemlich arm. Doch ihr privater Bekanntenkreis hat mir schon viele aufwändige Milieurecherchen erspart. Chrissy kennt ein waschechtes Callgirl und eine Frühverrentete, der ein durchgeknallter Millionenerbe hörig ist. Außerdem ist sie mit G. befreundet, einer brustkrebsoperierten Vierzigerin, die innerhalb eines Jahres nun schon den dritten sehr viel jüngeren arabischen Liebhaber hat. Chrissy hört gut zu. Doch auf einer Party wäre sie nur die stille grauhaarige Arbeitslose, mit der kaum einer reden will, es sei denn aus Höflichkeit.

„Mach doch einfach keine Quatsch- und Essparty, sondern einen Event“, hat mir Kollege F. neulich geraten. F. lädt seine Bekannten zum Geburtstag zum Kegeln ein. „Sport ist gut. Dann bewegen sich die Leute, alles ist entspannter“, meint er. Bewegen! Entspannen! Ist meine Geburtstagsparty etwa eine Art Zenprojekt?

„Wenn erst mal alle betrunken sind, läuft die Party doch von alleine“, berät mich Freund Simon. Simon veranstaltete kürzlich eine Longdrinkparty und füllte die Gäste mit Mint Julep und Black Cow ab. Seine Londoner Bekannte, die im Lederlook erschienen war, fing schließlich an, endlos von Sexspielzeug zu schwärmen. Der „Techno Rabbit“ soll große Klasse sein. Jeden Augenblick erwartete ich, dass sie ihre Reisetasche öffnen und ein paar dieser Dinger auspacken würde. Ich fühlte mich wie auf einer Heizdeckenverkaufsfahrt. Leider habe ich selbst keine Londoner Freundin im Lederlook, die meine Partys herausreißt.

„Vielleicht“, so meint mein Haus- und Hofpsychiater Freddi, „ist so eine Geburtstagsparty sowieso nur eine narzisstische Veranstaltung. Du denkst, Leute, für die du dich interessierst, müssen sich auch füreinander interessieren. Doch das ist eine kindliche Fantasie.“ Kindlich. Genau. Meine Tochter hat angekündigt, mir zum Geburtstag eine CD zu schenken: „Pu der Bär“ und die Geschichte von Ferkel und dem Heffalump, gelesen von Harry Rowohlt. Gegen deine Einschlafstörungen, sagt sie. Das ist nett. Und meine Party – na ja, vielleicht verschiebe ich sie doch mal wieder aufs nächste Jahr.

Fragen zu Gerüchten?kolumne@taz.de

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